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produktiv» bietet die Entwicklung der Handelsflotten während des
Krieges. Die Lage des Frachtemnarktes hat jetzt zur Stillegung
eines Teils der Welthandelsflotte geführt.
Dieser Prozeß war umso schmerzlicher, als man die Nach
kriegskonjunktur überschätzt hatte. Der Bedarf, den man erwartete,
war allerdings da, aber er konnte aus Mangel an Kaufkraft nicht
befriedigt werden. So erwiesen sich die großen Warenvorräte,
die in den nordischen Ländern und Holland für Deutschland,
Mitteleuropa und Rußland aufgespeichert waren, als unverkäuflich,
ebenso wie die Läger in Südamerika und Ostasien. Durch diese
mißglückte Spekulation des Handels und durch den bald
von' ihr ausgehenden Preisdruck verschärfte sich naturgemäß der
Kampf, den die im Kriege erwachsenen Industrien aller Länder
um ihre Existenz führen mußten. Diese mißglückten Handels
transaktionen brachten aber gleichzeitig die Handels- und
Zahlungsbilanzen einer ganzen Reihe von Ländern in
Unordnung und führte zu Erschütterungen der Valuta dieser Länder
und zu oft sehr scharfen Kreditkrisen.
Aber alle diese wirtschaftlichen Krankheitsherde hätten saniert
werden können. Das war nur eine Frage der Zeit. Die Läger
leerten sich allmählich, und die Industrien bildeten sich zurück.
Noch nach jeder Krise, die hervorgerufen worden ist durch über
mäßige industrielle Expansion, stand der Produktionsapparat der
Welt — soviel auch wieder von ihm hätte abgebaut'werden müssen
— erweitert da. Aber es gab da Krankheitsherde, die sich nicht
heilen ließen, ohne großzügige Maßnahmen internationaler
Solidarität. Der eine hieß Rußland, das allmählich aus
der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung, ausgeschaltet worden war.
Diesen Ausfall hätte die Welt, wenn auch unter schweren
Zuckungen, noch ertragen. Aber es war da ein zweiter, der hieß
Deutschland. Die Ausschaltung Deutschlands aber kann die
Welt niemals ertragen, denn Deutschland bedeutet für den Welt
markt ein Vielfaches von dem, was Rußland bedeutet hat
und jemals bedeuten wird. Deutschland war der beste
Kunde von Rußland, Norwegen, Holland,
Belgien, der Schweiz, Italien und Ö st er
reich-Ungarn, zweitbester von Großbritan
nien, Schweden und Dänemark, drittbester
von Frankreich. Es war die bedeutend ft e Zu
fuhr quelle für Rußland, Norwegen, Sch we
be n, Dänemark, Holland, die Schweiz, Ita
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garien. Heute steht Deutschland vor der Sorge, ob es seine
Rohstoffeinfuhr decken kann, um die Ausfuhr im bisherigen Umfange
von etwa 4 bis 5 Milliarden Goldmark im Jahr aufrecht erhalten zu
können. Und in der Tat ist das fraglich. Denn wie erhält sich eine
Wirtschaft, die jährlich mit einer Passivität der Zahlungsbilanz