Full text: Quadragesimo anno

16 
Pflichten 
Um die hitzigen Erörterungen über das Eigentum und die mit ihm ver 
bundenen Pflichten in die gehörigen Schranken zu weisen, sei an die 
Spitze gesetzt, was schon Leo XIII. als Grundstein aufgestellt hat: 
Eigentumsrecht und Eigentumsgebrauch sind wohl 
zuunterscheidende Dinge. Die Achtung der Grenzen von Mein 
und Dein, die Ausschließlichkeit jeden Rechtes, die dem Einbruch aus 
den Grenzen des eigenen Rechtsbereichs heraus in den Rechtsbereich 
des anderen wehrt, gehört der Verkehrsgerechtigkeit an: 'der sittlich 
geordnete Gebrauch des Eigentums durch den Eigentümer dagegen ge 
hört nicht dieser Tugend an, sondern ist Gegenstand anderer Tugenden 
und kann daher ,,im Klagewege nicht erstritten werden”. Zu Unrecht 
vertreten daher einige den Satz, die Grenzen des Eigentums und seines 
sittlich geordneten Gebrauches seien ein und dasselbe; noch viel 
weniger bewirkt Mißbrauch oder Nichtgebrauch des Eigentums die Ver 
wirkung oder den Verlust des Rechts. Ein nützliches und verdienstvolles 
Werk tun daher jene, die unbeschadet der Liebe und Eintracht sowie 
der Reinheit denron der Kirche allzeit festgehaltenen Lehrüberlieferung 
sich bemühen, um die genauere Erforschung der inneren Wesensart 
dieser Pflichten sowie der Grenzen, die durch die Erfordernisse des 
menschlichen Gemeinschaftslebens sowohl dem Eigentumsrecht selbst 
als dem Gebrauch und der Nutzung der Eigentumssache gezogen wer 
den. In Täuschung und Irrtum aber ist befangen, wer imiper die indivi 
duelle Seite des Eigentums so weit auszuhöhlen trachtet, daß tatsäch 
lich nichts mehr von ihr übrigbleibt. 
Befugnisse des Staates 
Daß beim Eigentumsgebrauch nicht nur an den eigenen Vorteil 
zu denken, sondern auch auf das Gemeinwohl Bedacht zu nehmen 
ist, folgt ohne weiteres aus der bereits betonten Doppelseitigkeit des 
Eigentums mit seiner Individual- und Sozialfunktion. Sache der Staats 
gewalt ist es, die hier einschlagenden Pflichten, wo das Bedürfnis be 
steht, und sie nicht bereits durch das Naturgesetz hinreichend bestimmt 
sind, ins einzelne gehend zu umschreiben. Der Staat kann also — 
immer im Rahmen des natürlichen und göttlichen Gesetzes —• mit Rück 
sicht auf wirkliche Erfordernisse des allgemeinen Wohls genauer im 
einzelnen anordnen, was die Eigentümer hinsichtlich des Eigentums 
gebrauches dürfen, was ihnen verwehrt ist. Ja, wie Leo XIII. treffend 
bemerkt, hat Gott der menschlichen Geschicklichkeit 
und den staatlichen Einrichtungen die Umschrei 
bung des Sondereigentums anheimgegeben. In der Tat 
erweist die Geschichte — das sind Unsere eigenen Worte —, daß wie 
die übrigen grundlegenden Bestandstücke des gesellschaftlichen Lebens, 
so auch das Eigentum nicht unwandelbar ist: „Wie verschiedene ver 
gegenständlichte Formen hat doch das Eigentum angenommen, ange 
fangen von seiner urzeitiichen Gestalt bei den wilden Völkern, deren
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.