Full text: Die Reichsversicherungsordnung in ihrer jetzigen Fassung und die zu ihrer Änderung und Ausführung ergangenen Vorschriften

18 Reichsversicherungsordnung. 
Versicherungsgesellschaften. In der sozialen Versicherung ist das Kapital- 
deckungsverfahren nach Perioden verwendet worden in den ersten Jahren 
des Bestehens der Invalidenversicherung und bis zunr Schlüsse des Jahres 1923 
für die knappschaftliche Versicherung. Auch das Kapitaldeckungsverfahren ist 
nicht unbedenklich; verkleinert sich der Kreis der Beteiligten, so treten die gleichen 
Schäden zutage wie bei dem Amlageversahren. Im preußischen Bergbau 
war das erkannt worden; man hatte deshalb sämtliche preußischen Knappschafts 
vereine seit 1917 zu einem knappschaftlichen Rückversicherungsverband zu 
sammengeschlossen, durch den die jeweiligen Pensionskassenleistungen der ein 
zelnen Vereine rechtlich und finanziell sichergestellt waren. Trotzdem befriedigte 
die hier getroffene Regelung nur zum Teil, denn bei Auslösung eines Knapp 
schaftsvereins hatten die noch aktiven Mitglieder keinerlei Ansprüche an den 
Rückversicherungsverband. 
c) Das Anw arisch afts deckungsverfahren sichert allEin die Er 
füllbarkeit aller Leistungen. Rach versicherungsmathematischen Grundsätzen 
wird für einen Kreis von Personen die Höhe der bis zuin Ausscheiden der 
letzten von ihnen zu gewährenden Leistungen ermittelt und diese gesamte 
Last durch gleichbleibende Beiträge aufgebracht. Die private Lebens 
versicherung faßt Personen gleichen Wagnisses zusammen und stuft deshalb 
auch die Beiträge nach dem einzelnen Wagnis ab (z. B. nach dem Alter, 
dem Geschlecht u. a.). Die soziale Versicherung ist hierzu nicht in der Lage; 
sie arbeitet deshalb mit Durchschnittsbeiträgen, weshalb man das Anwart 
schaftsdeckungsverfahren in der Sozialversicherung oft auch als Durchschnitts- 
prümienverfahren bezeichnet. Die im Anwartschaftsdeckungsvcrfahren erhobe 
nen Beiträge sind unabhängig davon, ob der Kreis der Beteiligten sich ver 
größert oder verkleinert, ob er altert oder sich verjüngt. Es kommt hierbei 
gur Ansammlung sehr großer Vermögen, deren sichere Anlegung und Ein 
fügung in die Volkswirtschaft von außerordentlicher Wichtigkeit ist. 
Das Wesen der drei Deckungsvcrfahren tritt am deutlichsten in die Er 
scheinung, wenn man sie für den Zeitpunkt des Aufhörens der Versicherung 
betrachtet. Beim Ilmlageverfahren sind keinerlei Mittel vorhanden; die zum 
Bezüge von Leistungen Berechtigten erhalten nichts, die übrigen Beteiligten 
haben ihre Beiträge umsonst geleistet. Beim Kapitaldecküngsverfahrcn ist 
für die zum Bezüge der Leistungen Berechtigten das Deckungskapital für 
diese Leistungen vorhanden; alle übrigen Beteiligten erhalten nichts. Beim 
Anwartschaftsdeckungsverfahren ist für die zum Bezüge von Lcistrmgen Be 
rechtigten das Deckungskapital dieser Leistungen da; in dem übrigen Vermögen 
sind die den Beteiligten zugesicherten Leistungen in dem Amfange gedeckt, als 
sie am Tage der Auflösung erworben waren. Eine neue Versicherung könnte 
unter Abernahme des Vermögens bei Fortentrichtung der bisherigen Beiträge 
bei Eintritt des Versicherungsfalles die früher zugesagten Leistungen erfüllen. 
B. In der Sozialversicherung werden für die Deckung der Versicherungs 
leistungen in der Krankenversicherung und zum überwiegenden Teil in der 
Anfallversicherung das Amlageverfahren angewendet, in beiden Fällen mit 
Rücklagenbildung, in der Tiefbau-Berufsgenossenschaft sowie in den Zweig- 
anstalten der Baugewerks-Berufsgenossenschasten und der See-Berufs- 
genosscnschaft das Kapitaldcckungsvcrfahren. 
In der Invalidenversicherung und in der Angestelltenversicherung war 
früher das Anwartschaftsdeckungsvcrfahren vorgeschrieben. Neuerdings ist 
auch hier das Amlageverfahren zugrunde gelegt, um die Wirtschaft nicht zu 
stark mit den Sozialversicherungsbeiträgen zu belasten. Augenblicklich be 
steht nur noch das Anwartschaftsdeckungsverfahren für die Invalidenpensionen 
aus der Pensionsversicherung des Neichsknappschaftsvereins.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.