Drittes Buch. 1. Teil. Gewerbe-Unfalldepsicherung. § 899—903. 263
beantragen, auch Rechtsmittel einlegen. Der Ablauf von Fristen, die ohne
ihr Verschulden verstrichen sind, wirkt nicht gegen sie; dies gilt nicht für Ver-
fahrenfristen, soweit der Unternehmer oder ein ihm nach § 899 Gleichgestellter
das Verfahren selbst betreibt.
*) § 902 bildet die prozeßrechtliche Ergänzung zu 8 898. Unternehmer i. S. des
8 902 ist daher nicht jeder vom Verletzten oder seinen Hinterbliebenen um Schadenersatz
in Anspruch genomnrene Unternehmer, sondern nur der Unternehmer des Betriebs, bei
dem sich der Unfall ereignet hat (AN. 1923 S. 138).
II. Haftung gegenüber Genossenschaften, Krankenkassen usw.
8 903. Wird strafgerichtlich festgestellt, daß Unternehmer oder ihnen
nach § 899 Gleichgestellte den Unfall vorsätzlich oder fahrlässig mit Außer
achtlassung derjenigen Aufmerksamkeit herbeigeführt haben, zu welcher sie
vermöge ihres Amtes, Berufs oder Gewerbes besonders verpflichtet sind,
so haften sie für alles, was Gemeinden, Armenverbände, Krankenkassen,
stör Beichsknappschaftsverein 1 ), Ersatzkassen, Sterbe- und andere Unter
stützungskassen infolge des Unfalls nach Gesetz oder Satzung aufwenden
müssen 2 ) 3 ) 4 ) 6 ). Statt der Rente kann der Kapitalwert gefordert werden.
Sie hasten auch,
wenn strafgerichtlich festgestellt") worden ist, daß sie bei Leitung oder
Ausführung eines Baues wider die allgemein anerkannten Regeln
der Baukunst gehandelt haben und
wenn durch diese Zuwiderhandlung der Unfall herbeigeführt worden ist.
Die Vorschrift des 8 900 über die Haftung ohne strafgerichtliche Fest
stellung gilt auch für diese Ansprüche.
Unternehmer und ihnen nach 8 899 Gleichgestellte haften der Genossen
schaft für deren Aufwand auch ohne strafgerichtliche Feststellung.
*) Geändert durch Art. 51 Nr. 31 Eins. Ges. z. Reichsknappschaftsges. (Anhang l
Nr. §9).
^)Ob eine „Fahrlässigkeit" vorliegt, ist nach strafrechtlichen Grundsätzen zu
beurteilen. Auf mitwirkendes Verschulden des Verletzten kann sich der Betriebsunter
nehmer gegenüber dem der Berufsgenossenschaft in § 903 verliehenen selbständigen
und eigenen Ersatzanspruch nicht berufen; wohl aber im Falle des § 1542, wo die Berufs
genossenschaft nur aus Rechten des Verletzten gegen einen Dritten als Schädiger Rück
griff nimmt. Es sei denn, daß der Verletzte den Unfall durch so schweres eigenes Ver
schulden herbeigeführt hat, daß damit das dem Unternehmer zur Last fallende Verhalten
als Ursache des Unfalls völlig ausgeschaltet wird (RGZ. Bd. 69 S. 340; Bd. 9b S. 135).
Im Zivilprozeß ist der Inhalt des gegen den Unternehmer ergangenen Urteils
im Strafprozeß maßgebend. Ist der Verletzte zwar an den Folgen des Unfalls gestorben,
hat aber der Strafrichter den Betricbsunternehmer nur wegen fahrlässiger Körper
verletzung verurteilt, so kann der Träger der UV. nicht die infolge der Tötung des Ver
letzten zu nrachenden Aufwendungen erseht verlangen (RGZ. Bd. 69 S. 340ff). —
Es muß eine besondere Beziehung der Zuwiderhandlung des Unternehmers mit dem
Gewerbebetriebe strafrechtlich festgestellt sein (RGZ. Bd. 66 S. 246).
Die Unsallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften werden
vom Reichsgericht zwar nicht als Schutzgesetze i. S. des § 823 Abs. 2 BSB. angesehen,
wohl aber als verpflichtende Normen für die der Berufsgenossenschaft zugehörenden
Betriebsunternehmer, an die sie gebunden sind und die sie kennen müssen. Ihre Nicht
befolgung macht den Unternehmer verantwortsich (8 903) und begründet ein zivil
rechtliches und strafrechtliches Verschulden. Die Genossenschaft hat regelmäßig zur
Rechtfertigung ihres Ersatzanspruchs nur die Zuwiderhandlung gegen die Unfall
Verhütungsvorschriften nachzuweisen. Behauptet der Unternehmer, daß der Unfall auch
bei ihrer Beobachtung eingetreten wäre, so ist er beweispflichtig (RGZ. Bd. 95 S. 238).
3 ) Gegen den seibstversichecten Unternehmer, der im eigenen Betriebe
einen Unfall erlitten hat, kann die Bcrufsgenossenschaft aus den §§ 903ff. keinen Anspruch
herleiten; es würde dem Sinne des Gesetzes widersprechen, wenn dem Kieinunter-