417
Sechstes Buch. Verfahren. § 1716—1728.
IV. Wiederaufnahme des Verfahrens.
1. Anfechtungsgründe.
§ 1722. Ein durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenes Verfahren kann wieder
aufgenommen werden, wenn
1. die Spruchstelle nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. eine Person bei der Entscheidung mitgewirkt hat, die von der Mitwirkung
aus einem gesetzlichen Grunde ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis
durch Ablehnung oder Rechtsmittel ohne Erfolg geltend gemacht worden ist,
3. bei der Entscheidung eine Person mitgewirkt hat, obgleich sie als befangen
abgelehnt und die Ablehnung für begründet erklärt worden war,
4. eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten
war, sofern sie nicht die Führung des Streites ausdrücklich oder stillschweigend
genehmigt hat.
In den Füllen der Nr. 1, 3 ist die Wiederaufnahme unstatthaft, wenn der An
fechtungsgrund durch ein Rechtsmittel geltend gemacht werden konnte.
§ 1723. Die Wiederaufnahme ist ferner zulässig, wenn
1. eine Urkunde, auf die sich die Entscheidung stützt, fälschlich angefertigt oder
verfälscht war,
2. durch Beeidigung eines Zeugnisses oder eines Gutachtens, auf die sich die
Entscheidung stützt, der Zeuge oder Sachverständige vorsätzlich oder fahrlässig
die Eidespflicht verletzt hat,
3. der Vertreter der Partei oder der Gegner oder sein Vertreter die Entscheidung
durch eine mit öffentlicher Strafe bedrohte Handlung erwirkt hat,
4. eine Person bei der Entscheidung mitgewirkt hat, die bei der Verhandlung
ihre Amtspflichten gegen die Partei verletzt hat, sofern diese Verletzung mit
öffentlicher Strafe bedroht ist,
5. ein strafgerichtliches Urteil, auf das sich die Entscheidung stützt, durch ein anderes
rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben worden ist,
S. eine Partei nachträglich eine Urkunde, die eine ihr günstigere Entscheidung
herbeigeführt haben würde, auffindet oder zu benutzen instand gesetzt wird.
Z 1724. Die Wiederaufnahme ist in den Fällen des § 1723 Nr. 1 bis 4 nur zu
lässig, wenn
1. wegen der strafbaren Handlung eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung
ergangen ist,
2. ein gerichtliches Strafverfahren aus anderen Gründen als wegen Mangel
an Beweis nicht eingeleitet oder nicht durchgeführt werden konnte.
8 1723. Die Wiederaufnahme ist in allen Fällen des § 1723 nur zulässig, wenn
nicht die Partei ohne ihr Verschulden den Anfechtungsgrund in dem früheren Ver
fahren, insbesondere durch Einlegung eines Rechtsmittels, geltend machen konnte.
8 172(3. Mit dem Antrag auf Wiederaufnahme können Anfechtungsgründe,
durch die eine ältere Entscheidung derselben oder einer unteren Instanz betroffen wird,
geltend gemacht werden, wenn die angefochtene Entscheidung auf der älteren beruht. 2 3
2. Zuständigkeit.
8 1727. Uber den Antrag entscheidet die Spruchstelle, deren Arteil ange
fochten wird.
Sind mehrere Urteile angefochten, die von Spruchsteilen verschiedener Ordnung
erlassen sind, so entscheidet die Spruchstelle höherer Ordnung. An Stelle des Reichs
oersicherungsamts (Landesversicherungsamts) entscheidet das Oberversicherungsamt,
wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund des § 1723 Nr. 1, 2, 5
ober h angefochten wird.
3. Gang des Verfahrens.
8 1728. Der Antrag ist binnen einem Monat zu stellen.
Die Frist beginnt mit dem Tage, an dein die Partei den Anfechtungsgrund er
führt, jedoch nicht bevor das Urteil rechtskräftig geworden ist. Nach Ablauf von fünf
Jahren vom Tage der Rechtskraft an ist der Antrag unstatthaft.
Schulz, NVO.
27