Anhang VI: Fürsorgegesetze.
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Soweit die Wochenfürsorge Ausgabe der Fürsorgeverbände wird, bestimmen die Länder die Be
hörden oder sonstigen Stellen, welche die Aufgabe durchzuführen haben. Sie können die Ausgabe auch-
Versicherungsträgern, insbesondere Krankenkassen übertragen, wenn diese damit einverstanden sind. Ohne
eine solche Übertragung sind die Versicherungsträger nicht verpflichtet und nach allgemeinen Grundsätzen
(vgl. § 25 NVO.) nicht einmal berechtigt, Wochensürsorgefälle zu bearbeiten (Erlaß des Neichsarbeits-
ministers v. 25. III. 24, Nr. II 1 2634).
5 ) Vgl. die Ermächtigung der Neichsregierung nach § 38 dieser VO.
6) Auf Grund des § 6 Abs. 2 der VO. in Verbindung mit 8 52 Abs. 2 dieser VO. und Artikel 2 Satz 2
der VO. über das Inkrafttreten des Neichsgesetzes für Iugendwohlfahrt v. 14. II. 24 (NGBl. I S. 110)
sowie auf Grund des § 1 Satz 1 der VO. über die soziale Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebenen
fürsorge v. 8. II. 19 (NGBl. S. 187) in der Fassung des § 34 der VO. über die Fürsorgepflicht hat die Neichs
regierung unter dem 27. III. 24 — NGBl. I S. 379 — mit Zustimmung des Neichsrats über Voraus
setzung, Art und Matz der zu gewährenden Fürsorgeleistungen folgende Grundsätze ausgestellt:
„1. Im Falle der Hilssbedürftigkeit ist — erforderlichenfalls auch ohne Antrag — als Mindestmatz
der unentbehrliche Lebensunterhalt, insbesondere Obdach, Nahrung, Kleidung, die erforderliche Pflege in
Krankheitsfällen und nach dem Ableben ein angemessenes Begräbnis zu gewähren. Hilfsbedürftigen
Schwangeren und Wöchnerinnen ist die erforderliche Fürsorge zu gewähren.
2. Für hilfsbedürftige Minderjährige gilt § 49 Abs. 1 und 2 des Neichsgesetzes für Iugendwohlfahrt
v. 9. VII. 22 (NGBl. I S. 633).
3. Darüber hinaus gelten über die Fürsorge für Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebene, Sozial-
und Kleinrentner die bisherigen Bestimmungen mit Ausnahme der Höchstsätze für Klein- und Sozial
rentner.
/ 4. Art und Matz der Fürsorge richtet sich nach dem Einzelfalle.
5. Bei Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen soll in der Negel, soweit es sich um Maß
nahmen der sozialen Fürsorge handelt eine Erstattung der aufgewendeten Kosten — § 25 VO. über
die Fürsorgepflicht — nicht beansprucht werden. Unterhaltspflichtige sollen zum Ersatz der Auf
wendungen nur in besonderen Fällen und nur dann herangezogen werden, wenn es sich um besondere
Aufwendungen handelt, die nicht auf Grund des § 21 des Neichsversorgungsgesetzes in der Fassung
vom 30. VI. 23 (NGBl. I S. 523) gewährt worden sind.
6. Anrechnungssrei sollen in der Negel bleiben die Schwerbeschädigtenzulage nach § 27, die
Pflegezulage nach § 31 und die Nente, — die einer Witwe nach § 37 Abs. 2 oder 3 des Neichs
versorgungsgesetzes zusteht, insoweit ihr Betrag die Nente nach Abs. 1 übersteigt, ferner die Hilflosen-
rente nach 88 660, 930, 1065 der NVO., insoweit sie die Rente des völlig Erwerbsunfähigen übersteigt.
Ferner ist Hilfsbedürftigen, die trotz starker Beschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit unter Auf
bietung besonderer Tatkraft einem Erwerbe nachgehen, ein angemessener Teil des Arbeitsverdienstes
bei der Berechnung des zur Deckung des unentbehrlichen Lebensunterhalts erforderlichen Einkommens
in der Negel frei zu lassen.
7. Bei Durchführung des § 19 der VO. über die Fürsorgepflicht sollen, soweit nicht bestehende
Gesetze, wie das Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter in der Fassung vom 12. I. 25
(RGBl. I S. 57) und das Reichsversorgungsgesetz, etwas anderes bestimmen, die persönlichen Ver
hältnisse. insbesondere die berufliche Ausbildung und bisherige soziale Lage des Hilfsbedürftigen, be
rücksichtigt werden.
8. Diese Grundsätze gelten bis zum 1. VII. 24."
7 ) Von den bisherigen Bestimmungen über die Sozialrentnerunterstützung sind bis auf weiteres
noch von Bedeutung:
A. Kreis der Personen: Als Rentenempfänger der Invaliden- und Angestelltenversicherung —
Z 1 b F. V. — kommen die Empfänger von Nentenleistungen aus der reichsgesetzlichen Invaliden- und Ange
stelltenversicherung in Betracht. Zu diesen gehören auch Personen, die auf Grund des Angestelltenver
sicherungsgesetzes aus Ersatzkassen oder Knappschaftskassen Leistungen der reichsgesetzlichen Angestellten
versicherung beziehen.
Ob die Leistungen der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung von einer Landesversicherungsanstalt
oder einer Sonderanstalt der Invalidenversicherung (88 1360 ff. NVO.) bezogen werden, ist ohne Belang.
Unter Kleinrentnern — 8 1 o F. V. — sind zu verstehen: bedürftige alte oder erwerbsunfähige Per
sonen, die infolge eigener oder fremder Vorsorge ohne die Entwertung der Mark oder ohne sonstige Kriegs
folgen nicht auf die öffentliche Fürsorge angewiesen wären, sofern sie
».) durch Arbeit ihren Lebensunterhalt erworben haben oder
b) eine Tätigkeit in häuslicher Gemeinschaft ausgeübt haben, die üblicherweise ohne Entgelt er
folgt, aber im Falle der Einstellung fremder Kräfte vergütet werden müßte, oder
c) eine wissenschaftliche, künstlerische oder gemeinnützige Tätigkeit ausgeübt haben, die ihre Arbeits
kraft jahrelang hindurch wesentlich in Anspruch genommen hat oder
6) infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen ihren Lebensunterhalt durch Arbeit nicht erwerben,
konnten.
Den Kleinrentnern gleichgestellt werden Personen, die ohne eigenes Verschulden sich eine solche
Versorgung noch nicht gesichert haben, wenn sie durch jahrelange Arbeit eine wirtschaftliche Stellung er
rungen hatten, in der ihnen dies ohne Geldentwertung oder sonstige Kriegssolgen möglich gewesen wäre..
Nach dem Tode einer solchen Person kann ihren Angehörigen, die mit ihr einen gemeinschaftlichen Haus
halt geführt hatten, die gleiche Fürsorge gewährt werden.