Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

Wochenbett und Laktation. Alkoholmissbrauch. 89 
Seite eingehend nachgeprüft werden sollte. Oft genug er- 
weist sich die Darlegung der möglichen krankhaften Wurzeln auf das 
Urteil des Richters von weittragendem Einflusse. 
Vielfach handelt es sich um noch junge Individuen, bei denen 
geistige Minderwertigkeit und stets schon vorhandene Neigung zu impul- 
sivem Tun festgestellt werden können. Ihre scheinbar reuelose Verstockt- 
heit und Gefühllosigkeit gewinnen bei näherer Betrachtung ein ganz 
anderes Aussehen, wirken statt strafverschärfend vielleicht umgekehrt 
im Sinne eines Anspruchs auf besonders milde Beurteilung. 
Wichtig ist ferner stets die Prüfung, ob nicht eine beginnende 
Geisteskrankheit wie Hebephrenie in Frage kommen kann. Eine solche 
Entscheidung ist manchmal nicht leicht. Ausschlaggebend vermag der 
Nachweis zu werden, dass die Betreffende während der Schwangerschaft 
einen einwandfrei beobachteten Schub derartiger Geistesstörung bereits 
durchgemacht hat. 
d) Wochenbett und Laktation. 
Im Verlaufe von Wochenbett und Stillgeschäft sehen wir mit Vor- 
liebe ausgebildete Geisteskrankheiten in Erscheinung treten. Man hat 
geschätzt, dass ungefähr auf 400 Wöchnerinnen eine Psychose komme! 
Eine bestimmte Form von puerperalem Irresein gibt es 
indessen nicht, sondern es gelangen die verschiedensten klinischen 
Krankheitsbilder zur Entwickelung. Am häufigsten sind Amentia, Schizo- 
phrenie und manisch-depressives Irresein. Es scheint, dass körperliche 
Erschöpfung und infektiöse Vorgänge mehr noch als seelische Erregungen 
für den Ausbruch von Bedeutung sind. Zumal für die Entstehung der 
endogenen Krankheitsbilder spielen die erbliche Belastung und die ge- 
samte Veranlagung die wesentlichste Rolle. Mitunter sehen wir ın jedem 
Wochenbett einen neuen Schub von schizophrener Erkrankung auftreten. 
Bei deliriösen Störungen ist immer an Eklampsie zu denken. 
Da es sich in der Hauptsache um voll ausgebildete Psychosen 
handelt, ist die forensische Bedeutung des puerperalen Irreseins ver- 
hältnismässig gering. Bei Aufnahme der Vorgeschichte einer Angeklagten 
ist aber darum doch von einem gewissen Interesse die negative Tat- 
sache, dass im Verlaufe ihrer Schwangerschaften und Wochenbetten sich 
niemals geistige Störungen gezeigt hatten. 
Lit. vgl. 178. 
4. Alkoholmissbrauch, 
Trunksucht der Eltern kann Epilepsie, Schwachsinn und Psycho- 
pathie bei der Nachkommenschaft zur Folge haben. 
Das Bild des chronischen Alkoholismus wird im speziellen Teile 
näher besprochen werden. Hier soll nur mit Nachdruck auf die Not-
	        
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