Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

; Depressiv-hypochondrischer Symptomenkomplex, 
die Sprache zu bringen. Die Ausdrucksweise, mit der er seine 
Empfindungen beschreibt, pflegt recht charakteristisch zu sein. Wichtig 
ist die Art, wie er Einwendungen aufnimmt, ob er sich noch Belehrungen 
zugänglich zeigt, oder ob er schon völlig von wahnhaften Gedankengängen 
beherrscht wird. Weiter empfiehlt es sich zur Entscheidung, wieweit 
Verfolgungsideen mitspielen, nach der Entstehung seines Leidens zu 
fragen, ob es sich ganz von selber eingestellt habe oder durch fremde 
Schuld verursacht sei. 
Im Gegensatze zu Nervösen mit bloss zeitweise übertriebenen 
Klagen wird man bei Geisteskranken bald auffällige Schrullen be- 
merken, die Fingerzeige für den weiteren Gang der Untersuchung geben. 
Gehörstäuschungen können vorhanden sein. Mitunter begegnet man aus- 
gesprochenem Hang zum Querulieren. 
b) Klinische Stellung des depressiv-hypochondrischen Sym- 
ptomenkomplexes. 
Depressiv-hypochondrischen Zügen begegnen wir bei den ver- 
schiedensten Psychosen. Ferner finden sie sich ohne ausgesprochene 
Geistesstörung bei Hysterie, Neurasthenie und Epilepsie. Der 
Sachverständige wird also aus ihrem Vorhandensein allein noch keine 
weitgehenden Schlüsse ziehen dürfen, sondern sie nur zum Anlass nehmen, 
eine gründliche Untersuchung des Geisteszustandes zu verlangen. Die 
ältere Anschauung, dass es eine selbständige Krankheit Hypochondrie 
mit eigenartigem Verlaufe geben sollte, ist heute ziemlich allgemein 
verlassen. 
In der Regel wird die genauere Prüfung von Vorgeschichte und 
Verlauf wahrscheinlich machen, dass es sich nur um ein besonderes Zu- 
standsbild im Rahmen des manisch-depressiven Irreseins handelt. 
Nicht immer lässt sich dann auch Hemmung der Gedanken und Be- 
wegungen nachweisen. Nur vorübergehend treten Angst und Selbstbe- 
schuldigungen deutlich hervor. Dagegen fällt der Wechsel mit expansiven 
Phasen in die Augen. 
Sehr häufig entwickeln sich allmählich bei schrulligen Hypochondern 
immer unyerkeunbarer Stereotypien und Manieren, wie sie Schizophrenen 
eigen zu sein pflegen. Zerfahrenes Denken, Negativismus, gemütliche 
Abstumpfung, Verlust der Energie machen sich bemerkbar. Gerade 
Katatonie und Hebephrenie werden gerne von hypochondrischen Zu- 
ständen eingeleitet. 
Die enge Verbindung mit manchen paranoiden Erkrankungen 
wurde bereits oben erwähnt. Das Hervortreten von Beziehungs- und 
Verfolgungswahn unter Umständen auch Stimmenhören weist auf die Zu- 
gehörigkeit zu diesen Formen (Paranoia, Paraphrenie. Dementia para- 
noides) hin. 
Bei Unfallkranken mit sogenannter traumatischer Neuro- 
psychose verknüpft sich manchmal im Laufe ihres Rentenkampfes 
gegen die Berufsgenossenschaft das depressiv-hypochondrische Bild mit 
einer querulatorischen Kampfstimmung. In letzter Linie dürfte es sich 
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