. Manischer Symptomenkomplex.
folgte wieder heitere Erregung. R. wurde nun als geisteskrank erkannt und nach
der Irrenanstalt W. verbracht. Von dort wurde er nach ’eingetretener Beruhigung
entlassen. Nun blieb er zunächst in häuslicher Pflege, bis ihn eine neue Erregung
forttrieb,
Seine Krankheit jetzt zeigt die bekannten Symptome der Manie, Reizbarkeit,
erhöhtes Selbstgefühl mit Streitsucht, leichte Ideenflucht, Neigung zu obszönen
Malereien, Gewalttätigkeit. Nach den vorliegenden Krankenblättern hat früher die
gleiche Form dieser in periodischen Anfällen verlaufenden Geisteskrankheit bestanden.
Da die äussere Ordnung des Gedankenganges bei R. ziemlich erhalten bleibt, darf
man von einer „raisonierenden Manie“ reden, d. h. einer leichteren Form des Leidens,
bei welcher die krankhaften Handlungen immer in Scheinbar vernünftiger Weise
begründet werden.
Nach seiner Entfernung von Hause hat R. längere Zeit ein unstätes Leben
geführt, ist nach der Schweiz gewandert und öfters bettelnd umhergezogen. Krst
vom Frühjahr 1911 ab schien er ruhiger zu werden und hat dann einige Zeit an
derselben Stelle gearbeitet. Dann steigerte sich seine Erregung wieder bis zur Auf-
nahme in die hiesige Anstalt, wo er- dauernd die Erscheinungen einer schweren
Geisteskrankheit zeigt. Der körperliche Befund ergibt keine Abweichungen von
der Regel.
Gutachten.
Emil R. leidet an einer periodischen Geistesstörung mit ausgesprochen raison-
nierend-manischem Charakter. Die manischen Zustände dauern über Jahr und Tag
und beginnen gewöhnlich, z. B. beim Militär, in so versteckter Weise, hauptsächlich
mit unmoralischen, gesetz- und disziplinwidrigen Handlungen, dass die Umgebung,
selbst Ärzte, nicht alsbald den Zustand als krankhaften erkennen.
Dazwischen liegt ein anscheinend ziemlich normaler Zwischenraum, wie im
Sommer 1911. Da nun jetzt wieder ein schwerer manischer Zustand besteht, der
sich anscheinend seit November 1911 langsam entwickelt hat, und da die strafbaren
Handlungen durchaus schon den Charakter der manischen Geistesstörung tragen, so
begutachten wir, dass es keinem Zweifel unterliegen kann, dass R. bereits bei Be-
gehung der strafbaren Handlungen im Dezember 11 sich in einem Zustande krank-
hafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat, durch welchen seine freie Willens-
bestimmung ausgeschlossen war.
Beispiel 14.
(Manisch-depressives Irresein. Entmündigung wegen Geisteskrankheit.)
Dem Amtsgericht zu F. beehre ich mich in der Entmündigungssache wider
Josef M. das über seinen Geisteszustand erforderte Gutachten zu erstatten:
Zur Verfügung standen die Gerichtsakten. die Krankenblätter der Irrenanstalt
F. und eigene Beobachtung.
Vorgeschichte.
Josef M. ist am 28, 12. 72 in R. geboren. Die Mutter war sehr nervös, litt
an Muskelschwund. Ihr Vater war geistig schwach. Als Kind entwickelte sich
Josef auffallend langsam, nachdem er mit 2 Jahren Typhus durchgemacht hatte.
In der Schule lernte er schwer, war sehr vergesslich, zeigte keine Ausdauer, litt
1/a Jahr an Veitstanz. Stets war er aufgeregt, zum Weinen geneigt. Mit der Be-
rechtigung zur Obersekunda verliess er die Schule, brachte in der Kaufmannslehre
nicht die einfachste Arbeit zustande. Auch war er unpünktlich, blieb wiederholt
wegen „Verstimmungen“ zu Hause. Er war dann menschenscheu, zu Tränen geneigt,
sprach kein Wort.
1890 steigerte sich die depressive Verstimmung derart, dass Anstaltsbehand-
lung notwendig würde. Später sollte er in einer mechanischen Werkstätte als
Volontär arbeiten, leistete aber wieder nichts. Bereits nach 5 Monaten musste er
wegen tobsüchtiger Erregung der Psychiatrischen Klinik in H. zugeführt werden.
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