Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

. Schwachsinn. 
Entmündigung, kein Interesse dafür. Unruhig, springt bei der Unterhaltung öfters 
auf, greift alles an, was auf dem Tische liegt. Scheint gar nicht zu begreifen, 
warum sie untersucht wird, äussert: „Was soll ich machen? Ich habe mich doch 
gepflegt, habe doch Südwein getrunken. Was soll ich sonst noch machen? Es ist 
doch nicht nötig.“ Bestreitet, dass sie im Termine von einem Richter vernommen 
worden sei, es seien da nur so Herren gewesen, die so getan hätten: „Ich bitte Sie, 
ich sag mir, die ganze Wichs brauch ich nicht. Haben Sie eine Ahnung, wo man 
das Kind hintun sollte? Wo? Man kann es doch nicht hinstecken, wo man es 
gar nicht sieht. Das geht doch nicht. Uns wäre es schlecht gegangen, wenn wir 
mit unserer Mutter so was gemacht hätten. Das einzige ist, das Kind hört nicht, 
Sie hört auf ihre Mutter nicht. Zum Kuckuck, sie soll hören! Das ist nichts! 
(Zornig). Heut läuft sie mir ganz weit fort! (Lachend.) Ich hab es ihm nicht gesagt, 
sie hat tüchtig Prügel gekriegt. Sie tut mich schikanieren wie ihr Vater (Zornig). 
Ich möchte sie verdreschen und vermöbeln, dass nichts mehr drauf ginge! Das "tät 
ich ihr mal gönnen. Ich darf mich nur nicht aufregen, denn ich brauche Ruhe, Ich 
darf sie aber auch nicht strafen, denn wenn ich ihr was tue, kriege ich von ihm 
Schläge. Das wird aber noch anders kommen! (Zornig). Wenn ich mich hinlege, 
schikaniert mich das Kind. Die beiden lassen mir gar keine Ruhe!“ — Sie wolle 
sich schon am Manne rächen, denke nicht daran, ihm den Haushalt in Ordnung 
zu halten. 
Deutet geheimnisvoll an, dass ihr Mann mit seiner eigenen Schwester ein 
Liebesverhältnis habe; äussert die Befürchtung, er wolle sie umbringen. Mit einer 
Frau im Vorderhause halte er es auch, und mit dem Kinde stecke er zusammen; 
das verklatsche sie. Sie habe so aufgeregte Nerven, sei vergesslich; erzählt das 
mit vergnügtem Lachen. 
Im Gutachten wurde auf die eigentümliche Zerfahrenheit, das rveizbare, wider- 
spruchsvolle Wesen mit wahnhaften Gedankengängen und gehässiger Abneigung 
gegen Mann und Kind aufmerksam gemacht. Die Schulkenntnisse seien gut erhalten, 
aber Willens- und Gemütsleben seien gestört, so dass Gleichgültigkeit und auf- 
fallende Lenksamkeit mit unmotivierten Zornausbrüchen wechselten und ein unnatür- 
licher Hass gegen die nächsten Angehörigen sich entwickelt habe. 
Frau K. erscheine unfähig, die wirkliche Situation richtig zu beurteilen, folge 
willenlos dem Manne zu der von ihr nicht gewünschten Untersuchung, benehme sich 
hier kindisch, zeige gar kein Interesse an dem Ausgange der Sache. Die Beein- 
trächtigungsideen gegen das Kind liessen eine falsche Behandlung, ja Misshandlung 
befürchten. Den Mann verläumde sie und suche ihn in jeder Weise zu schädigen. 
Wenn auch der Umfang ihrer Angelegenheiten nur klein sei, so erscheine sie doch 
nicht mehr imstande, auch nur diese zu besorgen. Für Entmündigung wegen Geistes- 
schwäche seien die Voraussetzungen gegeben. 
9. Psychopathische Zustände. 
a) Allgemeine Übersicht. 
Die grosse Zahl von geistig minderwertigen Menschen, welche sich 
dauernd im Grenzgebiete zwischen geistiger Gesundheit und geistiger 
Krankheit bewegen, wird zweckmässig unter der Bezeichnung „Psycho- 
pathen“ zusammengefasst. Weniger empfehlenswert erscheint der ältere 
Namen „Degenerative“, weil wir noch zu wenig von den näheren Ge- 
setzen der Entartung wissen, und weil der Nachweis erblicher Belastung 
für die Annahme einer Psychopathie zwar wertvoll, aber nicht aus- 
schlaggebend ist. 
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