Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

Manisch-depressives Irresein. 19 
bleibenden Schwächung der geistigen Fähigkeiten zu führen. Allerdings 
gibt es Fälle, wo nur einmal im Leben ein manischer oder melancholi- 
scher Zustand einsetzt, oder es kehren immer bloss die gleichen Bilder 
wieder, so dass man richtiger von einer periodischen Manie bezw. Melan- 
cholie reden könnte. Die depressiven Erkrankungen, die im Rück- 
bildungsalter einsetzen,‘ enden nicht mehr stets mit voller Genesung, 
sondern können dauernde geistige Schädigung herbeiführen. Doch sind 
solche teilweise Ausnahmen nicht schwerwiegend genug, um die nahe 
innere Verwandtschaft aller dieser Krankheitsbilder in Frage zu stellen. 
Hinsichtlich der Ätiologie hat sich herausgestellt, dass die 
wichtigste Ursache in einer angeborenen Anlage zur Erkrankung ge- 
sucht werden muss. Auffallend häufig ist erbliche Belastung nachweis- 
bar, die gerne eine gleichartige ist, so dass Eltern und Kinder an 
derselben Form von Geistesstörung erkranken. Äussere Ereignisse haben 
mehr die Bedeutung zufällig auslösender Hiltsursachen. Hier sind zu 
nennen heftige Gemütserschütterungen, Strapazen aller Art, schwächende 
Krankheiten, Wochenbett und Stillgeschäft, Operationen, Kopfverletzungen, 
Sonnenstich, Melancholische Anfälle werden ausserdem besonders in 
der Schwangerschaft und im Rückbildungsalter (Klimakterium) öfter be- 
obachtet. 
Zweckmässig unterscheidet man: 
1. Einmalige Anfälle von Manie und Melancholie. 
2, Periodische Wiederkehr der gleichen Anfälle. 
3. Zirkulären Verlauf: Wechsel von manischen und melancholischen 
Anfällen. 
4. Mischformen von Manie und Melancholie. 
a) Manie, 
Der eigentlichen Geisteskrankheit geht meist ein mehrtägiges oder 
sogar mehrwöchiges nervöses Vorstadium vorauf, das gelegentlich eine 
depressive Färbung annimmt. Allerlei unbestimmte Beschwerden werden 
geklagt wie Gefühl von allgemeiner Abgeschlagenheit, von eingenommenem 
Kopfe, Neuralgien, Verdauungsstörungen, Appetit- und Schlafmangel, Reiz- 
barkeit, ängstliche Unruhe und Arbeitsunlust. 
Darauf folgt ziemlich plötzlich der Ausbruch lebhafterheiterer 
Erregung. Der Kranke glaubt sich genesen, freier und leistungsfähiger 
als je; es entwickeln sich rasch die bei Besprechung des manischen Zu- 
standes auf Seite 115 geschilderten Erscheinungen: Bewegungsunruhe 
und Rededrang mit Ideenflucht bei dauernd gehobener, doch sehr 
reizbarer Stimmung und mit Neigung zum jähen Umschlagen in heftige 
Zornausbrüche oder weinerliches Wesen. Die Auffassung und Orientie- 
rung bleiben, ausser in Zeiten stärkster Erregung, gut erhalten. Sinnes- 
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