Hysterie. 228
Nicht. die Mitwirkung von Alkoholgenuss, der häufig schlecht vertragen
wird, von wesentlicher Bedeutung war (Pathologische Rauschzustände
siehe Seite 163). Ferner können sich Zwangsvorstellungen ausbilden
(Seite 191). Die Potenz ist sehr oft geschädigt; über Onanie wird be-
sonders bei der endogenen Nervosität geklagt. Perverse Handlungen
scheinen auf neurasthenischer Grundlage vorübergehend in Erscheinung
treten zu können. Vor allem sind Exhibitionismus und Fetischismus
zu nennen (Seite 205).
Lit vergl. Nr. 54, 129, 202.
Hysterie,
Die Frage, ob wir es hier mit einer abgeschlossenen Krankheits
einheit oder nur mit einem besonderen psychopathischen Reaktions-
typus zu tun haben, mag für unsere Zwecke ausser Betracht bleiben.
Richtig ist, dass bei den verschiedensten psychopathischen Zuständen
und geistigen Erkrankungen einzelne hysterische Zeichen gefunden
werden. . Den praktischen Anforderungen der gerichtsärztlichen Be-
urteilung entspricht aber die Annahme einer eigenen Krankheitsform
Hysterie.
Charakteristisch sind die grosse Abhängigkeit von Vor-
gängen der Aussenwelt, indem die letzteren bei vorhandener hysteri-
scher Veranlagung mannigfache seelische und körperliche Störungen anfalls-
weise hervorrufen, aber auch ebenso plötzlich beseitigen, und der aus-
gesprochene Wunsch krank zu erscheinen. Man hat manchmal
geradezu den Eindruck, dass der Hysteriker sich vor unangenehmen Er-
lebnissen mehr oder weniger bewusst in seine Krankheit hineinflüchtet,
oder dass er diese zur Erlangung irgendwelcher sonstigen Vorteile fest-
zuhalten und auszubauen bestrebt ist. Dennoch ist der gesamte Mechanis-
mus ein durchaus krankhafter und nicht mit Simulation zu verwechseln,
mögen gleich Mischungen vorkommen !
Der sogenannte hysterische Charakter hat bereits auf Seite 191 Er-
wähnung gefunden. Als seelische Zeichen (Stigmata). der Hysterie
sind hervorzuheben: Flüchtigkeit von Vorstellungen und Stimmungen,
wodurch das Bild höchster Launenhaftigkeit entsteht, gesteigerte Sug-
gestibilität und auffallende Neigung, seelische Vorgänge in körperliche
Erscheinungen (Krämpfe, Lähmungen, Empfindungsstörungen) umzusetzen.
Als körperliche Stigmata sind zu merken: Druckpunkte, Fehlen von Binde-
haut und Rachenreflex, Zittern, Lebhaftigkeit der Reflexe, Lähmungen, die sich nach
Art und Ausdehnung nicht an die anatomischen Verhältnisse kehren, entsprechend
widerspruchsvolle Gefühlsstörungen, Fehlen der Sinnesempfindungen auf der einen
ganzen Körperhälfte u. dgl. Die Reflexstörungen finden sich freilich ebenso bei
Psychopathen ohne deutlichen hysterischen Reaktionstypus, dagegen lassen Krämpfe
und Lähmungen typischer Art stets sein Vorhandensein feststellen.