Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

Katatomne. 
Spannungserscheinungen und stereotypen Manieren (vergl. 
katatonisches Zustandsbild Seite 140), welche dauernd das Bild beherrschen. 
Infektionskrankheiten, Wochenbett, Kopfverletzungen scheinen aus- 
lösend wirken zu können. Häufiger fehlt jede greifbare Veranlassung. 
Auch hier wird nicht selten ein neurasthenisch-hypochondrisches oder 
hysteriformes Vorstadium beobachtet. Zwangsvorstellungen und impul- 
sive Verkehrtheiten gehen bisweilen dem deutlichen Ausbruch des Leidens 
vorauf. Erwächst es auf dem Boden ausgesprochener psychopathischer 
Veranlagung oder angeborenen Schwachsinns, wird die anfängliche Be- 
urteilung weiter erschwert, zumal das geschraubt-bizarre oder negati- 
vistisch-ablehnende Verhalten leicht den Verdacht auf Übertreibung und 
Simulation nahelegt. Folgende Verlaufstypen lassen sich abgrenzen: 
1. Depressive Form entwickelt sich, zumal bei etwas älteren 
Individuen, aus einem der Melancholie recht ähnlichen Beginn heraus. 
Versündigungs- und Verarmungsideen werden geäussert, aber es fehlen 
eigentliche Hemmung und tieferer Affekt. Es machen sich mehr Sperrung 
und Negativismus und Hang zum Triebhaften bemerkbar... Das eintönige 
Jammern hat etwas Sinnloses, hypochondrische Züge treten stark hervor. 
Allmählich gelangen Verbigerieren, stereotype Gebärden, Wechsel von 
Stupor und impulsiver Erregung, blindes Widerstreben immer stärker 
zur Geltung. Schamloses Masturbieren, Unreinlichkeit, triebhafte Nah- 
rungsverweigerung, zunehmende Gemütsstumpfheit und Zerfahrenheit 
tragen weiter zur Klärung des Falles bei. Sehr gefährlich sind bis- 
weilen die hartnäckigen Selbstbeschädigungsversuche. 
2. Die erregt verwirrte Form bricht mehr akut aus und geht 
mit mannigfachen Sinnestäuschungen, wechselnden Wahnideen und leb- 
hafter Bewegungsunruhe einher. Nur vorübergehend erscheint das Be- 
wusstsein getrübt; meist zeigt sich die Orientierung trotz ratlosen Ge- 
barens überraschend gut erhalten. Der Affekt ist recht wechselnd, 
vor allem läppisch heiter. Verfolgungs- und Grössenideen werden 
namentlich im Beginne geäussert. KExplosive Tobsucht unterbricht jäh 
ruhigere oder stumpfe Zeiten. Mitunter hat die Bewegungsunruhe etwas 
Krampfartiges oder erscheint theatralisch gekünstelt; der Kranke kann 
sich geradezu wie ein Hampelmann gebärden. Allmählich schieben sich 
immer längere Phasen stuporösen Verhaltens ein und es entwickelt sich 
ein ausgesprochen katatones Bild mit Negativismus, Befehlsautomatie, 
stereotypen Manieren (Seite 141). 
3. Die stuporöse Verlaufsform kann sich aus der vorigen 
entwickeln oder sogleich von Anfang an einsetzen. Die Kranken werden 
stumm, unbeweglich, liegen wie schlafend da, sind nicht zu wecken. 
Manche bieten Flexibilitas cerea (Seite 140), andere widerstreben gegen 
jede Berührung. Die Glieder können schlaff sein oder wie in Kontrak- 
turen zusammengezogen. Anfangs lässt sich der Stupor zeitweise unter- 
brechen. Später dauert er unter Umständen Wochen und Monate, ja 
Jahre mit geringen Änderungen an. Atrophien, Gelenkschwellungen, 
Dekubitus können sich entwickeln. Dennoch vermag sich der Stupor 
jäh im Anschluss an einen erregenden Vorgang (Schreck, schmerzhafte 
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