Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

Arteriosklerotische Geistesstörung. d 
mögen. Hat vielleicht Alkoholgenuss mitgewirkt? Hinsichtlich der Pro- 
gnose ist Vorsicht geboten. 
Tat vgl. Nr. 311, 316, 331. 
Arteriosklerotische Geistesstörung. 
Vor allem nach den 50er Jahren machen sich Erkrankungen an 
Schlagaderverhärtung geltend. Sie werden verursacht durch die ver- 
schiedensten Gifte und blutdrucksteigernden Schädlichkeiten wie Alkohol, 
Nikotin, Koffein, Blei, Lues, Typhus, Malaria, Gicht, Diabetes, über- 
reichliche Ernährung, kachektische Zustände, angestrengte Muskelarbeit, 
seelische Erregungen. Auch ererbte Disposition scheint von Bedeutung 
zu sein. Ungefähr in 11°, der Fälle wird das Gefässsystem des Ge- 
hirns in erster Linie betroffen. Die Arteriosklerose des Gehirns 
entwickeltsichausserordentlich langsam und schleichend, 
und ihre Frühsymptome sind recht unbestimmter Art. Bei Einwirkung 
einer neuen Schädlichkeit, im Augenblicke besonderer Anstrengung kann 
das Leiden plötzlich in Erscheinung treten. Insofern vermögen 
Unfälle, fieberhafte Erkrankungen, .Exzesse, Strapazen oder Aufregungen 
die Bedeutung eines auslösenden Momentes zu erlangen. 
Kopfschmerz und Schwindelgefühl, zumal bei Lageveränderungen, 
Schlaflosigkeit und Parästhesien bilden häufige Vorboten. Hierzu 
kommen Gedächtnisabnahme in Form mehr zeitweiligen Versagens, Er- 
schwerung von Auffassung und Aufmerksamkeitsanspannung, Nachlassen 
von Urteilskraft, sehöpferischer Leistung, Übersicht, Energie und An- 
teilnahme. Es stellen sich eine auffallende Rührseligkeit, Reizbarkeit 
mit brutalen Zornausbrüchen, laszive Neigungen, Abstumpfung des Ehr- 
gefühls und der Gewissenhaftigkeit ein. Handelt es sich um von Haus aus 
minderwertige Charaktere, ist schon der Fortfall bisheriger Hemmungen 
infolge der sich geltend machenden geistigen Schwäche imstande, den 
Durchbruch eines verbrecherischen Hanges zu erleichtern. 
Im Beginne des Leidens ist Verwechselung mit Neurasthenie oder 
Hysterie häufig. Körperliche Symptome sind zunächst noch zu un- 
bestimmter Natur. Flüchtige Herderscheinungen tauchen auf und ver- 
schwinden wieder: Rindenzuckungen, Lähmungen, aphasische und aprakti- 
sche Störungen, Gesichtsfelddefekte, Blickbeschränkung (Abduzensparese). 
Da sie selten in spezialärztliche Behandlung gelangt sind, ist ihre nach- 
trägliche, Deutung nicht leicht. Erst bei vorgeschrittener Erkrankung 
setzen sich dauernde Ausfälle fest. Oft wird die Sprache. verwaschen 
und schleppend, fast skandierend, die Schrift ausfahrend und zittrig mit 
Neigung zum Verschreiben. Wichtig, aber nicht ausschlaggebend sind 
erhöhter Blutdruck, Verhärtung und Schlängelung der fühlbaren Schlag- 
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