Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

Geistesstörung nach Körperverletzung. 5 
kranke (Manische Erregungen) eben infolge ihres Leidens ungewöhnlich 
sinnlich erregt sind und ihrerseits den Mann zum Geschlechtsverkehr 
zu verlocken streben. 
Ein noch nicht ganz geklärtes Kapitel bildet die Möglichkeit ge- 
schlechtlichen Missbrauchs von weiblichen Personen, die durch Hypnose 
in willenlosen Zustand versetzt worden waren. Es ist auffallend, welche 
geringe ‘Rolle derartige Vorkommnisse bisher in der Praxis spielen. 
Öffenbar lassen sich gerade auf diesem Gebiete die Ergebnisse mehr 
oder weniger spielerischer ‚Experimente nicht ohne weiteres auf die 
Verhältnisse der Wirklichkeit übertragen. Die praktische Erfahrung 
lehrt, dass Hypnotisierte sich ernsthaft kaum zu Handlungen bestimmen 
lassen, welche ihrer gesamten auf Erziehung und Charakter beruhenden 
Denkweise normaler Zeiten widerstreben. Höchstens mögen Hypnose 
wie Wachsuggestion als gesteigerte Mittel der Überredungskunst bei 
schon vorhandener Neigung in Betracht kommen. 
Allein selbst in derartigen Fällen bliebe noch zu untersuchen, wie 
weit ‚es sich tatsächlich um eine durch Hypnose erzeugte Willenlosig- 
keit gehandelt hat. Die Behauptung, das Opfer eines Notzuchtsattentats 
gewesen zu sein, wird bekanntlich nicht so ganz selten von gefallenen 
Mädehen erhoben. Die Aussagen Hypnotisierter haben als besonders 
unzuverlässig zu gelten und sind auch in der Richtung zu prüfen, ob 
überhaupt nach der gesamten Sachlage ein sexuelles Delikt in dem von 
ihnen behaupteten Zustande an ihnen vorgenommen wurde. In dieser 
Hinsicht dürfte von ihren sexuellen Anschuldigungen das gleiche wie 
von denen Hysterischer zu sagen sein. (Siehe Seite 28.) 
Lit. Nr. 168, 170, 171,256. 
Beispiel 2, 
(Geschlechtlicher Missbrauch einer Schwachsinnigen). 
Die 32jährige epileptische Anna S. ist von dem Gärtner W. in Abwesenheit 
ihrer Eltern besucht und geschlechtlich gebraucht worden. Sie behauptet, er habe 
sie dazu gezwungen. Er gibt an, es sei mit ihrem Einverständnisse geschehen, sie 
habe ihm vorher gesagt gehabt, wann er sie allein antreffen würde, und habe Vor- 
bereitungen für seinen Empfang getroffen. Er wisse, dass sie an Krämpfen leide, 
doch habe er sie nicht für geistesschwach gehalten. 
Die Untersuchung ergibt wohl das Bestehen einer erheblichen Demenz und 
von Zuständen von Verwirrtheit im Anschlusse an die Anfälle, doch lässt sich nicht 
sagen, dass sie dauernd so schwer gestört ist, dass es einem Laien auffallen muss. 
In ihrer zeitweise auftretenden geschlechtlichen Erregung mag sie sehr wohl den 
Mann an sich gelockt haben. Ihre eigenen Aussagen sind bei ihrer grossen Lügen- 
haftigkeit völlig unzuverlässig. 
_ Ein Jahr nach Einstellung des Verfahrens wurde die S. abermals von dem W. 
geschlechtlich gebraucht. Nunmehr konnte von ihm Unwissenheit nicht mehr geltend 
gemacht werden. 
E. Verfall in Geisteskrankheit infolge von Körper- 
verletzung. 
$ 224 St.G.B.: „Hat die Körperverletzung zur Folge, dass der 
Verletzte ein wichtiges Glied des Körpers, das Sehvermögen auf 
einem oder beiden Augen, das Gehör, die Sprache oder die Zeugungs- 
A
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.