Beispiel für Entmündigungsgutachten.
Kigene Beobachtung,
G. wurde vom 8. 9. 17 bis 16. 5. 18 und vom 26. 11. 18 bis jetzt in der
hiesigen Klinik wegen angeborenen Schwachsinns mit Erregungen behandelt. Das
erste Mal wurde er aus dem Siechenhause eingeliefert, weil er dort durch seine
Unruhe und Neigung zu Verkehrtheiten gestört hatte. Nachforschungen ergaben,
dass er in der Kindheit Hirnhautentzündung gehabt und seither geistig gestört ge-
wesen sein sollte. Einen Beruf hatte er nie erlernt. Zuhause habe er meist den
ganzen Tag im Bett gelegen; in letzter Zeit war er erregt geworden, hatte viel ge-
schrien und getobt. Kr selbst berichtete, er sei wegen schlimmer Füsse ins Siechen-
haus gekommen; sonst habe er nur böse Augen gehabt. Jetzt habe er geglaubt,
man wollte ihn nachhause entlassen. Zeitlich war er nur ungenau orientiert. Weitere
Fragen ergaben einen überraschenden Tiefstand der allgemeinen Kenntnisse: es gebe
31 Monate, die Hälfte von 25 sei 17 und dergl. Nachdem er sich beruhigt hatte,
wurde er in die Nervenheilstätte K. verlegt.
Bei seiner 2. Aufnahme gab er selbst nur widerstrebend Auskunft; er sollte
wieder nachts viel geschrien und gesungen haben. Auf Befragen, warum er in die
Klinik komme, meinte er, er sollte hier neue Kleider erhalten.
Die körperliche Untersuchung ergab folgenden Befund:
do jähriger Mann von Mittelgrösse, leidlichem Ernährungszustande. Abstehende
Ohren, Steiler Gaumen. Zähne fehlen grösstenteils. Sehlöcher und Sehnenreflexe
regelrecht. Gang sicher, kein Schwanken bei Stehen mit geschlossenen Augen und
Füssen. Herztöne rein. Über den Lungen vereinzelte trockene Rasselgeräusche.
Wassermannsche Blutprobe negativ. Rückenmarksflüssigkeit normal.
G. blieb anfangs hartnäckig im Bett liegen, war zur Beschäftigung auf dem
Felde nicht zu bewegen. Später begann er im Krankensaal zu helfen, zeigte sich
wenig anstellig.
11. 1. 19. Weiss nicht, warum er in die Klinik gekommen ist, ist aber mit
seinem Aufenthalte hier zufrieden, da er sein regelmässiges Essen hat, lebt in den
Tag hinein. Aufmerksam gemacht, dass er doch freiwillig eingetreten sei, gibt er
das zu, weiss aber nicht, warum. Gefragt, was er draussen getrieben, behauptet er,
seiner Schwägerin geholfen zu haben. Er scheint sehr mit sich zufrieden, Kann
nicht 28 und 29 zusammenzählen, nicht 27 von 55 abziehen. Sagt, der Main komme
vom Spessart. Wohin er fliesse? „Ich habe die Tour noch nicht gemacht.“ Weiss
nicht, in welcher Provinz er lebt. Das Jahr habe 265 Tage.
(Wieviel Wochen hat das Jahr?) „Genau weiss ich das nicht.“
(Unterschied von Fluss und Teich?) „Das haben wir in der Schule nicht gehabt.‘
(Warum soll man die Menschen mehr nach ihren Taten, als nach ihren Worten
beurteilen?) ‚Ja ja, das habe ich nie gehört.“
(Wann Weihnachten?) „Am 22, oder 25. Dezember.‘
(Wie ist der Krieg ausgegangen?) „Was soll man da sagen? Ich lese dann und
wann vom Krieg. Ein Blatt schreibt so und das Blatt schreibt so. Keinen guten
Erfolg hat der Krieg nicht gebracht.‘
Gutachten.
Heinrich G. leidet an ausgesprochenem Schwachsinn (Imbezillität) infolge
krankhaft zurückgebliebener Gehirnentwickelung, mag diese nun auf angeborener
Veranlagung beruhen oder erst im Anschluss an die Gehirnhautentzündung in den
ersten Lebensjahren sich entwickelt haben. Jedenfalls hat sich G. von Jugend auf
geistig minderwertig gezeigt, hat in der Schule schwer gelernt, sich in keinem Berufe
ausbilden können, es im Leben zu nichts gebracht. Jetzt in den Rückbildungsjahren
scheint sich, wie das in derartigen Fällen häufiger beobachtet wird, eine zunehmende
Verschlechterung des geistigen Zustandes. weiter hinzugesellt zu haben: G. verwahr-
lost völlig, lässt Unterzeug und Bett im Schmutz verfaulen, sucht sich aus Schweine-
trögen Nahrung, hat nächtliche Erregungszustände und Angstanfälle, in welchen er
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