Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

Pflegschaft, g 
haben scheint, so ist er jetzt völlig bar jeder Selbstkritik, Spricht von seinen Ange- 
hörigen in feindseliger Weise, wirft ihnen vor, sie hätten falsch über ihn ausgesagt, 
seien von Widersachern gegen ihn aufgehetzt gewesen oder hätten sich sonst beein- 
flussen lassen. 
Ganz entschieden stellt der Entmündigte in Abrede, je in einem krankhaften 
Erregungszustande gehandelt zu haben, beschönigt und verteidigt vielmehr einsichts- 
los sein damaliges gefährliches Treiben und trägt solche Gereiztheit gegen Frau und 
Tochter zur Schau, dass sehr zu befürchten steht, er würde nach Rückkehr in die 
Heimat sogleich wieder in schwere Konflikte mit ihnen geraten. Auf Grund dieser 
Einsichislosigkeit, welche ihn bis zu der Erklärung führt, seine Entmündigung habe 
niemals im Interesse seiner Familie gelegen, sucht er zurzeit die Aufhebung seiner 
Entmündigung zu erreichen, 
Bedenkt man ferner, dass früher während seiner erregten Zeiten teilweise 
gerade in beständigem, einsichtslosem Querulieren gegen die Behörden seine Geistes- 
störung zutage zu treten pflegte, muss man besonders vorsichtig sein und mit der 
Möglichkeit rechnen, dass vielleicht sein jetziges Vorgehen gegen die Entmündigung 
nur das erste Anzeichen einer sich neuerlich meldenden Erregung sein könnte. 
Zugegeben mag werden, dass bisher sichere Merkmale einer solchen beginnen- 
den Erregung an ihm noch nicht festzustellen sind; doch schliesst das erfahrungs- 
gemäss nicht aus, dass schon in wenigen Monaten das Bild sich gänzlich verändert 
und der Geisteszustand sich bedenklich verschlimmert haben könnte. 
Aus allen diesen Erwägungen gelange ich zu dem Schlusse, dass 
die Voraussetzungen, welche im vorigen Jahre zu K.’s Entmündigung 
Veranlassung gegeben haben, noch nicht weggefallen sind. Es dürfte 
sich empfehlen, ihn dahin zu bescheiden, dass die Zeitspanne seit dem 
Entmündigungsbeschlusse zu kurz sei, und dass er seinen Antrag in 
Jahresfrist wiederholen möge. 
1. Pflegschaft. 
a) Einsetzung der Pflegschaft. 
Die Möglichkeit der Pflegschaft ist vom Gesetzgeber vorgesehen 
worden, damit nicht bei akuten und rasch ablaufenden Psychosen, welche 
den Kranken der Fähigkeit, seine Angelegenheiten zu besorgen, für 
eine verhältnismässig kurze Zeit und sehr plötzlich berauben, erst jedes 
Mal der umständliche Apparat des Entmündigungsverfahrens in Be- 
wegung gesetzt werden muss. Ohne lange Vernehmungen und ausführ- 
liche Gutachten, auch ohne besondere Kosten (!) vermag der Richter 
bei entsprechendem Antrag sofort eine Pflegschaft für den zur Zeit ganz 
oder teilweise geschäftsfähigen Patienten zu errichten. Die Handhabe 
dazu bietet ihm der $ 1910 B.G.B.: 
„Bin Volljähriger, der nicht unter Vormundschaft steht, 
kann einen Pfleger für seine Person und sein Vermögen er- 
halten, wenn er infolge körperlicher Gebrechen, insbesondere weil 
er taub, blind oder stumm ist, seine Angelegenheiten nicht zu 
besorgen vermag. 
Vermag ein Volljähriger, der nicht unter Vormundschaft 
steht, infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen 
einzelne seiner Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis 
seiner Angelegenheiten, insbesondere seine Vermögensange- 
Raecke, Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie. 
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