Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

Pflegschaft. 
Jegenheiten, nicht zu besorgen, so kann er für diese Ange- 
legenheiten einen Pfleger erhalten. 
Die Pflegschaft darf nur mit Einwilligung des Gebrech- 
lichen angeordnet werden, es sei denn, dass eine Verstän- 
digung mit ihm nicht möglich ist“. 
Aus dieser Fassung ergibt sich, dass ein Vorhandensein geistiger 
Störung nicht unbedingte Voraussetzung für die Errichtung einer Pfieg- 
schaft darstellt. Vielmehr kann diese auch durch körperliche Gebrechen 
begründet werden. Ferner heisst es ausdrücklich, dass die Pflegschaft 
eingesetzt werden kann, nicht muss! Es ist auch keineswegs erfor- 
derlich, dass der betreffende Kranke seine Angelegenheiten in ihrer 
Gesamtheit nicht zu besorgen vermag, wie bei einer Entmündigung, 
sondern es wird besonders hervorgehoben, dass der Pfleger schon für 
einzelne Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis derselben einge- 
setzt werden darf. Das alles ist wichtig und macht die Einrichtung 
der Pflegschaft so ausserordentlich nützlich. 
Freilich scheint vom ärztlichen Standpunkt ein Mangel durch den 
Nachsatz bedingt zu sein, dass die Pflegschaft nur mit Einwilligung 
des Gebrechlichen vom Amtsgericht angeordnet werden soll. Bekanntlich 
besteht in der Regel bei geistigen Gebrechen nicht soviel Einsicht, dass 
der Patient zugeben würde, ohne einen Pfleger nicht auskommen zu 
können. Jeder Versuch, ihm die Notwendigkeit einer Pflegschaft klar- 
zumachen, würde meist nur zu zwecklosen und schädlichen Aufregungen 
führen, ohne das gewünschte Ziel zu erreichen. Allein diese Gefahr 
verschwindet, sobald man die Einschränkung des Schlussatzes dahin 
auslegt, dass bloss bei der Möglichkeit wirklicher Verständigung — und 
diese besteht gegenüber einem Geistesgestörten so gut wie nie —. die 
Einwilligung des Gebrechlichen zu fordern ist. 
Sinngemäss ist nicht dann eine Möglichkeit der Verständigung 
vorhanden, wenn der Patient die Worte, die man an ihn richtet, 
als solche auffasst und irgendwie beantwortet, sondern nur, wenn 
er unbeirrt durch krankhaftes Misstrauen, Negativismus, Selbstüber- 
schätzung, wahnhafte Verkennung der Sachlage usw. deutlich 
die Tragweite der gesamten Frage versteht, seine Situation und 
augenblickliche Unfähigkeit zu sachgemässem Disponieren überblickt. 
Tut er das nicht, hat er aus krankhäften Gründen keine Einsicht 
in seinen Zustand, so darf auch die Möglichkeit einer Verstän- 
digung mit ilım mit gutem Gewissen verneint werden, 
Stellt man sich auf diesen einzig folgerichtigen Standpunkt, er- 
weist sich die Pflegschaft als unentbehrlicher Schutz in zahllosen Fällen 
akut ausbrechender Psychosen. Bei allein stehenden Geisteskranken, 
die in bewusstlosem, verwirrtem, willenlosem Zustande oder aber polizei- 
lich gegen ihren Willen der Anstalt zugeführt werden, gelingt es mit 
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