Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

Entmündigung wegen Trunksucht, 5 
sobald sich bei Alkoholisten die gleiche seelische Störung herausge- 
bildet hätte, müsste die Entmündigung eben wegen Geisteskrankheit 
oder Geistesschwäche, nicht wegen Trunksucht erfolgen. Es liegt‘ da ge- 
radezu eine gewisse Gefahr für den psychiatrischen Anfänger vor, der 
in einer Entmündigungssache wegen Trunksucht zur Frage gehört werden 
soll, ob der Betreffende chronischer Trinker gewesen sei. Lässt sich 
nämlich der Sachverständige von seinem Eifer verleiten, den Trinker 
schon als geistig stark entarteten Menschen zu schildern, so mag er 
dem Richter schliesslich Bedenken erregen, ob das bisherige Verfahren 
überhaupt das Richtige war, während sich vielleicht in einem neuen 
Verfahren wegen Geistesschwäche herausstellt, dass zu dessen Durch- 
führung doch die Unterlagen nicht genügen. Dann aber hätte das ärzt- 
liche Gutachten nur geschadet, statt genützt und wäre schuld, dass die 
bedauernswerte Familie des Trunkenboldes ‚auch weiterhin ohne Schutz 
bleibt. Hier ganz besonders gilt die Mahnung, nie mehr zu beantworten, 
als man gefragt wird. Anders liegt die Sache, wenn der Antrag auf 
Trunksucht oder Geistesschwäche lautete. 
Der Richter ist bei der Frage, ob der Trinker seine Angelegen- 
heiten zu besorgen vermag, vor allem bestrebt festzustellen, ob dieser 
infolge übermässigen Trinkens den Beruf vernachlässigt, und ob immer 
wieder als Rauschfolgen vorübergehende Zustände körperlicher und 
geistiger Unfähigkeit zur Arbeit sich geltend machen. Wohl darf dann 
der Arzt darauf hinweisen, dass bei Fortsetzung eines solchen Lebens- 
wandels bleibende Zerrüttung der geistigen Fähigkeiten zu erwarten sein 
wird, und dass nur. der mit einer Entmündigung zu erreichende äussere 
Zwang zur Nüchternheit noch Rettung erhoffen lässt. 
Auch der Beschluss des Amtsgerichts auf Entmündigung wegen 
Trunksucht geschieht nur auf Antrag. Eine Mitwirkung der Staatsan- 
waltschaft ist leider ausgeschlossen; dagegen dürfen Gemeinden und 
Armenverbände den Antrag stellen. ($ 680 Z.P.O) Recht bedenklich 
ist folgende Bestimmung (& 681 Z.P.O.): 
„Ist die Entmündigung wegen Trunksucht beantragt, so kann das Gericht 
die Beschlussfassung über die Entmündigung aussetzen, wenn Aussicht besteht, 
dass der zu Entmündigende sich bessern werde.“ 
Oft genug wird auf Grund dieser Bestimmung den Beteuerungen 
des unverbesserlichsten Alkoholisten, er wolle sich nun wirklich ändern, 
vom Richter Glauben geschenkt und damit kostbare Zeit verloren. 
Der die Entmündigung aussprechende Beschluss tritt mit der Zu- 
stellung an den Entmündigten in Wirksamkeit ($ 683 Z.P.O.) und kann 
binnen einem Monat auf dem Klagewege angefochten werden, sei es 
gegen den Antragsteller, sei es bei dessen Tode oder Unauffindbarkeit 
gegen den Staatsanwalt. (S$ 684 Z.P.O.) 
Die Wiederaufhebung der Entmündigung erfolgt auf Antrag 
des Entmündigten oder des gesetzlichen Vertreters, dem die Sorge für 
die Person zusteht. (S 685 Z.P.O.) Wird vom Gericht dieser Antrag 
abgelehnt, so ist ebenfalls der Klageweg zu beschreiten. (S 686 Z.P.O.) 
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