Full text: Kurzgefasstes Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie für Mediziner und Juristen

Fürsorgeerziehung. 
Die Entmündigung einer Person wegen Trunksucht ist vom Amtsgerichte 
öffentlich bekannt zu machen. (S 687 Z.P.O.) 
Der Vormund darf seinem Mündel den Aufenthalt anweisen und 
hat bei Erkrankungen für entsprechende Pflege zu sorgen. Damit er- 
gibt sich die Möglichkeit, den einsichtslosen Trinker nach seiner Ent- 
mündigung der Entziehungskur in einer Anstalt zu unterwerfen. Soll 
eine solche Behandlung bleibenden Erfolg haben, ist es erforderlich, die 
Abstinenz längere Zeit durchzuführen. Es wäre grundfalsch, schon nach 
kurzdauernder Enthaltsamkeit das Fortbestehen der Trunksucht zu ver- 
neinen und eine Wiederaufhebung der Entmündigung zu befürworten. 
Zum mindesten muss verlangt werden, dass der gebesserte Trinker sich 
Jahr und Tag in der Freiheit abstinent gehalten hat. Sonst ist baldiger 
Rückfall mit Bestimmtheit zu erwarten. Anschluss an Abstinenzvereine 
ist anzustreben. 
Lit. vergl. Nr. 50, 250, 312. 
V. Fürsorgeerziehung. 
Bereits im B.G.B. sind vormundschaftliche Massnahmen zum Schutze 
gefährdeter Kinder vorgesehen worden. S 1666 bestimmt in seinem 1. Ab- 
schnitte: 
„Wird das geistige oder leibliche Wohl eines Kindes dadurch 
gefährdet, dass der Vater das Recht der Sorge für die Person des 
Kindes missbraucht, das Kind vernachlässigt oder sich eines ehrlosen 
oder unsittlichen Verhaltens schuldig macht, so hat das Vormund- 
schaftsgericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Massregeln 
zu treffen. Das Vormundschaftsgericht kann insbesondere anordnen, 
dass das Kind zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie 
oder in einer Erziehungsanstalt oder einer Besserungsanstalt unter- 
gebracht wird.“ 
Ferner $ 1838: 
„Das Vormundschaftsgericht kann anordnen, dass der Mündel 
zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie oder in einer 
Erziehungsanstalt oder einer Besserungsanstalt untergebracht wird. 
Steht dem Vater oder der Mutter die Sorge für die Person des 
Mündels zu, so ist eine solche Anordnung nur unter den Voraus- 
setzungen des & 1666 zulässig.“ 
An diese beiden Paragraphen knüpft das Preussische Fürsorge- 
gesetz vom 2. VIL. 1900 an in seinem 8 1: 
„Ein Minderjähriger, welcher das 18. Lebensjahr noch nicht 
vollendet hat, kann der Fürsorgeerziehung überwiesen werden: 
1. wenn die Voraussetzungen des $ 1666 oder des $ 1838 B.G.B. 
vorliegen und die Fürsorgeerziehung erforderlich ist, um die Ver- 
wahrlosung des Minderjährigen zu verhüten; 
2. wenn der Minderjährige eine strafbare Handlung begangen 
hat, wegen der er in Anbetracht seines jugendlichen Alters straf- 
rechtlich nicht verfolgt werden kann, und die Fürsorgeerziehung mit 
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