Full text: Wilhelm Gerhard's Gesänge der Serben

Das heutige Fürstenthum Serbien hat am Wenigsten 
von diesem heroischen Charakter conservirt. Es macht mehr 
einen bukolisch-idyllischen Eindruck. Es producirt nämlich 
mehr Hirten als Helden, wie uns dies Alfons de Lamar 
tine in seiner „Reise im Oriente", ich möchte sagen, in Geß- 
ner'scher oder Wattean'scher Manier, vorgeführt hat. Die 
Leute tragen sehr viel Waffen im Gürtel, aber sie wissen 
wenig Gebrauch davon zu machen. 
Eine Ausnahme machen die „Hajduken", b. h. die 
Lente, welche mit den bestehenden Gewalten zerfallen, sich in 
das Gebirge werfen und dort ein Ränberleben führen, wobei 
sie es zwar vorzugsweise ans die Türken abgesehen haben, 
jedoch anchnnbeschnitteneErdensöhne nicht gänzlich verschmähen, 
vorausgesetzt, daß etwas bei ihnen zn holen ist. Der „Häjduk" 
ist stets der Sympathieen seiner Landsleute sicher und spielt 
eine große Rolle in ihren Gesängen. 
In dem Territorium, welches das heutige Fürstenthum 
Serbien bildet und so lange es zur Türkei gehörte, das 
„S syrb-Vi laj eti" genannt ward, ist die Aristokratie ausge 
rottet worden. Da herrschte der Pascha, der Spahi, der 
Janitschar. Es wurde der Zehnte, der Charadsch und der 
Blntzins erhoben. Die Eingeborenen waren einander gleich, 
d, h. dem Herrscher gegenüber gleich rechtlos. Der erste Fürst 
des befreiten Serbien war ein Schweinezüchter und Schweine 
händler; und sein erster Regierungsact war, daß er den 
Schweinehandel, welcher unter den Türken frei war, für 
sein hochfürstliches Monopol erklärte. 
Die Verfassung des Landes ist in ihren, ans der Ver 
gangenheit überlieferten Grundzügen rein patriarchalisch. 
Sie baut sich auf aus der Einzel-Familie, der Gesammt- 
Familie oder „Hans-Commnnion", der Gemeinde und 
der Gesammt-Gemeinden-Vertretung., Der leistungsfähigste 
und dauerhafteste unter diesen Factoren des ösfentlichcn Lebens
	        
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