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haben, mit den österreichisch- ungarischen und dadurch auch
mit den deutschen und überhaupt mit den mitteleuropäischen
Bahnen zu verbinden. Ich habe diese Frage, au welche sich
weitreichende Folgen knüpfen, namentlich auch in ihrer Bedeu-
tung für Deutschland und England, ausführlich erörtert in
meiner „Türkischen Reise," Bd. I. S. 74—96, und
begnüge mich hier darauf zu verweisen. Rußland hat bei
seinen Operationen in Serbien verkannt, daß dies Land nicht
in der russisch-asiatischen, sondern in der enropäisch-öster-
reichischen Machtsphäre liegt; es hat die orientalische Frage au
der falschen Seite angeschnitten, und noch dazu in einer
völkerrechtlich sehr unglücklich gewählten Form, nämlich in
der Form der „Neutralität mit bewaffneter Inter
vention". So macht man nicht Politik in Europa. Das
ist ein wenig asiatisch.
VI.
Doch kehren wir von diesem historisch-politischen ErcurS
zurück zu unseren serbischen Gedichten.
Ich habe bei meiner Auswahl den Gerhard'schen Ge-
sammttitel „Wila", d. h. die Fee, beseitigt, dagegen die Titel
der Abtheilungen, nämlich „Gusle" für die epische, und
„Kolo" für die lyrische beibehalten. Der feenhafte Ge-
snmmttitel schien mir für die meist ziemlich realistischen Ge
sänge nicht zu passen, auch wird das Wort „Wila" in Serbien
selbst in diesem Sinne nicht angewandt; über seine Bedeutung
habe ich mich in den Anmerkungen ausgesprochen.
Die „Gusle" ist das musikalische Instrument der
Serben, der „Kolo" ist der Rund- oder Ringeltauz der
Serben, nahe verwandt mit jenem Tanze der Walachen,
welcher Hora oder Gura genannt wird. Die Gusle ist ein
Saiteninstrument. Es hat einen beinahe kreisrunden Reso
nanz-Körper und einen außerordentlich langen Stiel. Ge-