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wohnlich hat es nur eine oder ivenige Saiten, bestehend aus
mehreren Pferdehaaren. Es wird mit einem Fidelbogen ge
strichen, der ebenfalls mit Pferdehaar bezogen ist. In einigen
Gegenden aber wird es mit den Fingern angeschlagen, wie
eine Guitarre. Beim Spielen hält man es wie ein Vioion.
Gewöhnlich setzt sich der Spielende aus den Boden und nimmt
das untere Ende in den Schooß, während die Spitze des
Stieles über seinen Kopf ragt. Mit der Linken nracht er die
Griffe am Stege oder Stiele, mit der Rechten führt er den
Bogen. Die Musik, wenn man dies Geschwüre so nennen
darf, ist außerordentlich monoton und bildet nur eine unter
geordnete Begleitung zu den epischen Gesängen. Jedenfalls
stört sie niemals das Verständniß eines jeden einzelnen Wortes
und paßt also sehr gut zu dem ruhig vorschreitenden und
etwas melancholischen trochäischen Metrum. Ost sind es
Rhapsoden, welche das Heldenlied singen und sich selbst mit
der Gussala begleiten. Oft auch singt die ganze Gesellschaft
in Begleitung einer oder mehrerer Gnslen.
Jene Rhapsoden bilden einen besonderen Stand. Man
behauptet, sie seien alle blind. Ich habe jedoch auch welche
gesehen, welche durchaus nicht blind waren. Hat man ja
doch auch alle homerischen Rhapsoden für blind ausgegeben,
weil man — in einer höchst unverbürgten und wahrscheinlich
rein conventionellen Weise — vom „blinden" Vater Homeros
zu sprechen gewöhnt ist.
Diese Rhapsoden wandern von Ort zu Ort, um ihre
Tawor oder „Taworien" vorzutragen. So nennt man diese
epischen Gesänge, aus welchen man jur Noth etwas der
„Ilias" Aehnliches zusammenstellen könnte, mit Hinzndichtnng
von Verbindungsgliedern und Uebergängen.
Ich habe mich nach der Bedeutung des Wortes „Tawor"
erkundigt. Man sagte mir, es sei der Name eines altserbischen
Kriegsgottes. Ich bin von der Richtigkeit dieser Mittheilung, ob-