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auch die poetisch schönsten. Die Nachdichtungen späterer Zeit
verhalten sich zu jenen alten Gesängen etwa wie die „Kolvxov
tc5)’ (tS&‘ "OfiijQOP ßißha“, d. h. die Posthonierica des
Quintns aus Smyrna zu den unsterblichen Büchern der
Odyssee und der Jliade. >)
Wir finden ferner zuweilen ein Dutzend verschiedener
epischer Gesänge, welche offenbar nach ein und derselben
Schablone gebaut sind. Ich habe mich bemüht, darunter
womöglich die Urform, oder wenn diese nicht mehr vorhan
den zu sein schien, wenigstens die älteste Nachdichtung heraus
zufinden und hier zu reproduciren. Mit anderen Worten,
meine Absicht ging dahin, unter diesen Dutzend das Beste zu
suchen, welches entweder das Vorbild der Andern ivar, oder
verdient hätte, als solches zu dienen. So suchte ich denn den
Wiederholungen und Nachdichtungen ans dem Wege zu gehen.
Dagegen die Wiederholungen im Texte eines und desselben
einzelnen Gedichtes zu beseitigen, betrachtete ich, in Ueberein
stimmung mit dem verdienstvollen Autor Wilhelm Gerhard,
als vollkommen unstatthaft. Solche finden sich überall in
dein Epos der Volksdichtung (auch in den Homerischen Ge
sängen) und gehören wesentlich mit zu dessen Charakter.
Buch die renommistischen Uebertreibungen, jene haarsträu
benden Heldenthaten, welche selbst vor den handgreiflichsten Un
möglichkeiten und den unbestreitbarsten Verstößen gegen die Gesetze
der Natur und gegen bieder Kunst dcrWassen nicht zurückschrecken,
muß man mit in den Kauf nehmen. Sie sind keinesivegs eine
Specialität der Serben, sondern finden sich in der heroischen
Dichtung aller Völker, am meisten in der der Asiaten.
t> Ich verweise ans die Aussätze von Göthe „Serbische Lieder",
.Volkslieder der Serben," übersetzt von Fräulein von Jacob, „Serbische
Gedichte", „Die neueste serbische Literatur", „Rationelle Dichtkunst"
ihandelt von Wilhelm Gerhard) n. s. in „Nachgelassene Werke"
Bd. VI, S. 324—340.