3. Kapitel. Das System Kants.
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Coccejus als Inhalt desselben lehrt, man sieht nicht, wie aus
der göttlichen Vollkommenheit das Erbrecht der Kinder, das
Ansehen der Obrigkeit u. s. w. folgen soll; fürs andre ist auch
die ethische und Rechtsordnung in ihr selbst von ihm durchaus
nicht begriffen, ja wenig zu ihrem tiefern Verständniß beige
tragen, es ist alles nur positiv hingestellt, ja die Grundbegriffe
derselben (der Begriff des Rechts, der Befugniß und dergleichen
sind viel ungenügender und unrichtiger gefaßt als von Grotius
und dessen bedeutendem Nachfolgern. Mit solcher Widersetzung
gegen das Naturrecht war deßhalb nichts ausgerichtet.
Andere Einwendungen gegen dasselbe, namentlich wie sie
der Autor der damals sehr gefeierten Schrift: „dubia juris
naturalis” vortrug, beruhen auf bloßer Skepsis und waren
deßhalb noch weniger geeignet, seine Herrschaft zu beeinträchtigen.
Drittes Kapitel.
Das System Kants.
Die Lehre Kants. — Wissenschaftliches Motiv derselben. — Verhältniß Kants zu Spinoza.
— Widerspruch in Kants Anforderung an die Vernunft. — Usurpation für die
praktische Vernunft. — Grund der Täuschung — daraus drei Inkonsequenzen
seiner praktischen Philosophie. — Anstoß zu weiterer Entwickelung: Transcendental-
philosophie, Ergebniß des Standpunkts Fichte's aus dem Kant's.
Der Gang des Kant'schen Systems ist bekanntlich dieser:
Wir bilden alle unsere Erkenntnisse mittelst gewisser Formen und
Begriffe, die wir nicht aus der Erfahrung schöpfen, sondern die
wir schon in uns haben müssen, bevor wir einer Erfahrung fähig
sind, z. B. das Verhältniß von Ursache und Wirkung. Wir
würden die wirklichen Ursachen und Wirkungen nie in diesem
Verhältnisse, sondern als isolirte Erscheinungen betrachten, wenn
es uns nicht schon vor aller Wahrnehmung eingepsianzt wäre.