Full text: Betrachtungen über Frankreich

Einführung 
bar — {o empfindet es der Gegner — das, was die Revolution 
nicht will. Sie wertet das al8 pofitiv, was die Revolution verwirft. 
Mit einem Wort: der Traditionalismus will — wie e8 de Maijtre, 
fein größter und umfafjfendjter Zheoretikfer, Jharffichtig formuliert — 
„nit. die SGegenrebolution, wohl aber das Gegenteil der RNevo- 
(ution“, 
as aber wollte denn die Revolution? Die Verwirklichung der 
vernünftigen SGejfellfdhaftsordnung.. Die Revolution verwirft alles 
Hiftorijdh Getvordene als Werk des Zufalls und der Undvernunft und 
beanfprucht, an feine Stelle einen fozialen Zuftand zu feßen, der 
normative Gültigfeit für alle Biölfer und für ale Zeiten befibt. Die 
weltanfdhaulidhe Grundlage des revolutionären Staatsideals ijt das 
Andividuunm, und zwar das von jeder Teligiöfen Bindung befreite, 
ganz auf fich felbft geftellte Fndividaum. Diefer „natürliche“ Menfch 
ijt zu allen Beiten und bei allen Völkern glei, denn er wird 
mecdhanifdh von einem allgemeinmenfchlidhen SGrundtrieb beiveagt: 
dem Streben nah Glück. Die Fähigkeit, jein Leben innerhalb der 
Natur und der Gefellfjhaft nach diefem Sefichtspunktk zu geftalten, 
jein Slüdsitreben zu verwirklichen, it dem Menfcdhen eingeboren 
und heißt „Vernunft“, Aus der Vernunftbegabtheit der menfOHlichen 
Natur ergibt fih daher die Forderung der Freiheit, d. H. einer ab- 
foluten, für alle Fndividuemnm gleich großen Verfügungsgewalt über 
Berfon und Eigentum. Die inhaltliche SGleichartigkeit des indivi- 
duellen SGlüdswillens {Hliekt jeden Mizbrauch diefer Freiheit aus, 
bürgt für die Harmonie zwijchen den Zielen des einzelnen und 
denen der SGejamtheit. Die Gefellfhaft it demnach ein freier Ber- 
trag der Yndividuen zweds3 gemeinfdaftlicdher Bermwirklidhung ihres 
Slüdsfjirebens. Der Staat it daz Erzeugnis eines beiwukten 
Willensaktes, 
Der Verfuch, diefe Theorie praktijch zu verwirklichen, macht 
die Franzöjijhe Revolution zur Revolution fhlechthin. Er gebar 
aber zugleich den Iraditionalismus, die bewußte Cinfidht in den 
Wert und die Notwendigkeit der hiftorijhen Kontinuität. Iu der 
geiftigen Entwicklung der hHerborragendijten Traditionaliften kann 
ınan deutlich den Punkt nachweijen, wo ihre Denkaktion fih an der 
Satfache der Revolution entzündet. Denn das Phänomen der Dauer 
tritt erft dann in den Kreis der Reflexion, wenn esS ent{hHeidend in 
jeiner Cxiftenz bedroht ijt. Der ganz von einer Überlieferung ge- 
tragene und umbhegte Menfdh wird niemals auf den Gedanken 
fommen, ihren Wert oder Uniwert einer KritijhHen Nachprüfung zu 
unterziehen. Alles Denken über die Tradition feßt {tet8 einen ge: 
mwifjen Grad von Abgelöftheit voraus, wie auch das moderne Natur- 
gefühl durch die Cxijtenz der Grokjtadt bedingt ft. Diefe aus der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.