Full text: Betrachtungen über Frankreich

Einführung 
ne 
17 
Naturauffafjung des 17. Jahrhundert zur anthropologifch-empi- 
rijchen Weltanfhauung des 18. Yahrhunderts zunuße. Beide pro- 
fitierten zunächjt auch von dem Zurücktreten der religiöfen Werte 
im Bewußtfjein ihres HZeitalters. Denn die Sonderftellung, welde 
die abfolutijftijdhe Doktrin. Boffuets dem Gerrfjcher al8 der einzig 
politijdh aktiven Perfönlichkeit zuweijt, empfängt ihren Halt nur 
durch die tranfzendente Begründung. Entfiel diefe Verfchleierung, 
jo mußte die willfürlide Öleichfekung von Gerrfdherperfönkichtkeit 
und Staatsidee, die unorganifhe Paarung der ehernen {taatlidhen 
Notwendigkeit mit der Schwäche und Zufälligkeit des Fndividuums 
um Angelbunkt der Kritit werden. 
€ it nun überaus bezeidhnend für die GefdhHidhte des traditiv- 
naliftijden Denkens in Frankreich, daß feine Träger an diejen wun- 
deften Punkt jeder abfolutijtifjchen Staatsdoktrin weit [Hneller an- 
Arüpften als die eigentlichen Aufklärer, die fih noch auf lange Zeit 
mit Den hiftorijchen Realität der Defpotie abfanden. Die politijdhen 
Haktoren, die in diefer Legitimiftifjdhen Zheorie ihre Rechtfertigung 
juchten und fanden, lagen ja unter der Hülle des Iudovicijhen WAo- 
jolutismus gleichjamnt bereit. Der Zod des felbjtherrlidhen Monarchen 
nahm den Drud von ihHnen, gab das Signal zur Auslöfung aller 
diejer zwar niedergehaltenen, aber feinesfalls erftorbenen Kräfte, 
jur Reaktion der bodenftändig-partikularen SGemwalten gegen den 
revolutionären und traditionsfeindlidhen Bürokratismus und Zentra- 
[i3mus des Königtums. 
Die hedeutendjten Vertreter des traditionalijtijhHen Gedankens 
im ancien. regime find die Parlamente. Bon jeher Hatten fie das 
Recht für fih in Anfprudh genommen, die Königlichen Erlaffe durch 
die Eintragung in ihre Regifter rechtskräftig zu machen, die GefeBes- 
Eraft des Königswillens durch FJormen zu wahren, die der fönig- 
[ichen Willkür entrüct find. AZ „uniterblihe“ Korporation nreinten 
je, die Tradition befjer. wahren zu Können als die wecdhfelnden In- 
haber des Thrones, {AHrieben fie fihH die Fähigkeit zu, die zeitlichen 
Wolungen des Herrfcdhers von dem unperfönlichen, konftanten Ge- 
[ebeswilNlen teinlih zu {heiden. Der Staat, fo behaupteten fie, {ft 
eim Spielball der Königlichen Launen, wenn er nicht auf feften 
Srundgefegen beruht. WillensentfHeidungen des Herrichers gegen 
den monarchifjhen Srundgedanken, wie 3. B. die CErbfolgeordnung, 
fönnen und .müffen unfchädlih gemacht werden. So gebärdet fich 
diefer parkamentarijhe Legitismus rtoyalijtijcdher al der König, 
indem er gegen den. augenhlidlidhen Herridher die Gefeße feiner 
Ahnen, gegen die zeitlidhh zufällige Aırtorität die univandelbare 
Tradition ausfpielt. 
SYofjfeph de Maiftre.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.