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chung, nicht Toleranzerklärung, sondern innige Vereini
gung zweier vorher getreu n t c n, aber z u s a m -
m engehörenden Teile z u einem Ganzen; und
Union der b e i d e u evangelischen K o n f e s s i o-
n e n ist also das, was der König von Preußen in der ersten
Aufforderung dazu, 1817, deutlich genug ausgesprochen hat: „Es
soll nicht die reformierte Kirche zur lutherischen, noch diese zu
jener übergehen, sondern beide sollen eine neubelcbte, evangelisch
christliche Kirche im Geiste ihres Stffters werden, und es ivird
das früher durch den unglücklichen Sektengeist vereitelte Gelingen
dieser Sache gehofft unter dem Einflüsse eines bessern Geistes, der
das Außerwesentliche beseitigt und die Hauptsache im Christentum,
worin beide Konfessionen eins sind, festhält."
Ich kann die Union, wie sie mir allein möglich und heilsam
zu sein scheint, am besten unter dem Bilde einer Ehe darstellen,
und ihre Vollziehung unterliegt all den Bedingungen, Schwierig
keiten und Hindernissen, welche sich auch einer Ehe entgegensetzen.
Zu solcher innigen Vereinigung (Union) kann natürlich weder
eine Kirche im Ganzen, noch ein einzelnes Mitglied derselben g e-
zwungen werden; sonst gibt es etwas so Unnatürliches und
Bedenkliches, wie eine erzwungene Ehe, die zur Abneigung, zum
Haß, zur Scheidung zu führen pflegt; will man allein bleiben,
w i l I man sich nicht unteren, so kann niemand dazu zwingen.
PlaiE) äußert sich folgendermaßen sehr treffend und fast weissa
gend gegen jede „forcierte Vereinigung": „Der Pöbel (?!) unter
jeder Partei wird nichts Anderes darin sehen, als daß man ihm
seinen Glauben nehmen will; der Lutheraner wird darüber schreien,
daß man ihn calvinisch, der Reformierte, daß man ihn lutherisch
machen »volle; und so gleichgültig ihm bisher sein Lutheranismus,
sein Calvinismus war, ja, so wenig er sich selbst angeben kann,
worin der eine im Gegensatz gegen den andern besteht, so ivird er
doch von diesem Augenblicke an eine neue Wichtigkeit für ihn er
halten. Daraus wird aber nicht nur die Folge entspringen, daß
sich auch neuer Haß und neue Bitterkeit in der Seele des einen
gegen den andern ansetzen ivird, sondern noch mehr Bitterkeit
wird sich in der Seele des einen gegen seine eigenen Glaubens
genossen, der liebloseste Argwohn und das giftigste Mißtrauen wird
sich besonders gegen seine Lehrer bei ihm ansetzen, die ihm die
Vereinigung zu begünstigen scheinen, und wer kann voraussagen,
wohin diese unseligste aller Wirkungen führen kann, oder wo sie
stehen bleiben wird ? " — Eine wahre, freie Ehe hebt nun aber
keineswegs die physischen und psychischen Verschiedenheiten der
beiden Teile auf, wird vielmehr selbst erst durch dieselben möglich
und zweckgemäß, sie erkennt dieselben vollkommen an, ergänzt sie
aber auch gegenseitig. Denn die Ehe bildet nicht aus zwei
Teilen ein Neues, Fremdes, Drittes, sondern vielmehr ein
Ganzes und erkennt die Notwendigkeit einer solchen Ergänzung
i) Ueber die Trennung und Wiedervereinigung der getrennten christlichen
Hauptparteien. Tübingen 1803.