Full text: Die religiöse Eigentümlichkeit der lutherischen und der reformierten Kirche

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Gegners Lehre annehmen, welche mit ihrer Ueberzeugung nicht 
übereinstimmte. Wir erkennen also bei den Reformatoren und 
ihren wahren Nachfolgern nicht nur die wesentliche Differenz über 
haupt vollkommen an, sondern auch die Berechtigung, ja sogar die 
Verpflichtung, an diesem ihrem Glauben, wenn's nötig wurde, 
kämpfend und streitend, unerschütterlich fest zu halten. Ja, wir 
gehen noch weiter und behaupten die damalige U n m ö g l i ch- 
keit einer Vereinigung der beiderseitigen Ansichten und also auch 
die Unmöglichkeit einer wirklichen Gleichheit oder Ausgleichung der 
beiderseitigen Lehren. Auch können wir sehr gut e r k l ä r e n, 
begreifen und c n t s ch u l d i g e n, daß Huther und die 
Lutheraner wegen dieser allerdings eigentlich nur t h e olog i- 
s ch e n und k i r ch t i cf) e n, nicht aber christli ch e n Differen 
zen die Reformierten überhaupt als ch r i st l i ch e Brüder nicht 
anerkennen wollten. Aber weiter können wir aucfr nicht gehen; 
verteidigen und billigen können wir dies als Christen 
nicht; und an diesem Punkt, bei der ungehörigen Verwechslung 
ch r i st l i ch e r und theologischer Differenzen, beginnt — 
nicht unser Tadel und rinsere Anklage, sondern nur unser 
Bedauern und unser S ch m e r z über diese Verkennung von 
wahrhaftigen Jüngern des Herrn und unsere Rüge und unsere 
Anklage der aus diesem ersten Schritt entstandenen ungeheu 
ern Menge von Versündigungen in den spätern Jahrhunderten. 
Carlstadt begann den Streit der reformierten und lutherischen 
Eigentümlichkeit, welche vor zwei Jahren zuerst ausgebrochcn war, 
1524 von neuem durch Aufstellung einer seiner Meinung nach rein 
und echt biblischen und durchaus antipapistischcn Lehre vom Abend 
mahl, welche jedenfalls höchst sonderbar und unzulässig ivar. 
Luther bekämpfte Carlstadt mit ungestümer Heftigkeit, welche zur 
Bitterkeit wurde, als die carlstädtischen Orlamünder ihn schänd 
lich verhöhnt hatten. Carlstadt, tief beleidigt und furchtbar ge 
reizt, griff den ausdrücklich ihm hingeworfenen Fehdehandschuh 
begierig auf. Zwingli fühlte sich bei der großen, dadurch entstan 
denen Aufregung veranlaßt, in einem Privatbrief an Alber, an 
dessen Schluß er seinen Freund beschwört, ihn nicht gu veröffent 
lichen, auch seine Ansicht auszusprechen, die mit Carlstadt z u m 
Teil übereinstimmte, weil beide in ihrer Aufstellung einer neuen, 
reinen Abendmahlslehrc nur von der heiligen Schrift ausgingen 
und sich um Alter und Bedeutung der Kirchenlehre 
gar nicht kümmerten. Er wußte nicht, daß er hierdurch 
mit Luther in entschiedenen Gegensatz trat. Erst Mykontus 
mußte ihn, nachdem sein Brief dennoch veröffentlicht worden war, 
darauf aufmerksam machen. Luther aber griff nun ihn und seinen 
Freund Oekolampadius, der auch bald mit großer Gelehrsamkeit 
die reformierte Ansicht als biblisch und als a p o st o I i s ch 
nachzuweisen suchte, mit ungestümer Heftigkeit an und verweigerte 
den Schweizern bald zu ihrer nicht geringen Verwunderung und 
noch größern Betrübnis alle Liebe und Freundschaft. Dagegen 
suchten die Schweizer, welche die große Verschiedenheit der beiden 
Ansichten auch recht gut einsahen, demungeachtet immer die brü-
	        
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