Full text: Die religiöse Eigentümlichkeit der lutherischen und der reformierten Kirche

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Lutheraner durch friedliche Druckschriften zu wirken, sie wurden 
cOcnj'o wie die Vorschläge der Reformierten mit Argwohn und 
Heftigkeit zurückgewiesen. Erfreulich ist dagegen schon 1570 
der zu Sendomir in Polen, vorzüglich durch die friedliebenden 
Böhmischen Brüder zu stände gekommene Vergleich zwischen Luther 
anern, Reformierten und Böhmen, nach welchem jede Partei die 
andere als rechtgläubig anerkannte, auch Gottesdienst und Abend 
mahl mit der andern Partei feiern wollte, ohne daß sie selbst des 
halb irgendwie ihre eigenen eigentümlichen Lehren und Einrich 
tungen aufzugeben brauchte. Ziemlich lange bestand dieser Ver- 
alcich, bis sich die Lutheraner von demselben zurückzogen, die 
Reformierten dagegen mit den Böhmischen Brüdern verschmolzen. 
Doch war Polen von Deutschland zu getrennt, als daß dieses 
Beispiel hätte viel wirken können; auch war diese Vereinigung 
noch vor der gänzliche n Trennung (durch die Concordien- 
formel 1580) und vor dem heftigsten Streit zu stände gekommen. 
Später zeichneten sich- durch Unionsversuche besonders die deut 
schen, französischen und britischen Reformierten aus. Großes 
Aufsehen machte der schöne Beschluß der französischen Synode zu 
Charenton 1619: „Da die Gemeinden des Augsburgischen Glau 
bensbekenntnisses mit den übrigen Reformierten in allen Grund 
sätzen und Hauptartikeln der wahren Religion übereinkommen und 
einen von aller Abgötterei und von Aberglauben freien Gottes 
dienst halten, so soll es Mitgliedern dieses Bekenntnisses, wenn 
sie mit dem Geist der Liebe und Milde die heiligen Versammlun- 
gen unserer Gemeinden besuchen, ohne alle vor gängige 
A b s ch w ö rang erlaubt sein, mit uns gu dem heiligen Tisch 
Christi zu treten, mit Personen unseres Bekenntnisses Heiraten zu 
schließen und Kinder auf die gewöhnliche Art zur Taufe zu brin 
gen und Patenstelle zu übernehmen" usw. Das war ein bedeuten 
der und entscheidender Schritt von seiten der reformierten Kirche 
zu einer echten, anerkennenden, konservative n Union. Hier 
mit war der Weg zu einer wahren Union der beiden Kirchen deut 
lich genug gezeigt und schon betreten; doch fanden sich hierin nicht 
nur keine Nachfolger, sondern es ward auch dieser Beschluß von 
den Lutheranern nicht nur gemißbilligt („da ja ein guter Luther 
aner durchaus keinen Gebrauch von dieser Erlaubnis machen könne"), 
sondern auch noch gehässig ausgelegt. 
Das preußische Fürstenhaus hat von Anfang au, seit dem aus 
wahrer, innerer Ueberzeugung geschehenen Uebertritt Johann Si- 
gisnnmd's zur reformierten Kirche, teils Frieden, teils Union 
zwischen beiden Parteien angestrebt. Besonders war Friedrich I. 
der Union sehr geneigt und erhielt 1707 von den Genfer Predi 
gern völlige Zustimmung zu seinen Unionsversuchen und eine der 
Synode zu Charenton ganz ähnliche Erklärung ihrer wesentlichen 
Uebereinstimmung mit der lutherischen Kirche. 
Es scheint, daß in Deutschla n d nur durch die schweren 
und langen Leiden des 30 jährigen Krieges die Herzen a l l m ä h- 
l i ch milder und mürber gemacht werden konnten. Wenigstens bie 
tet uns die erste erfreuliche Erscheinung der Art gerade das durch
	        
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