Full text: Die religiöse Eigentümlichkeit der lutherischen und der reformierten Kirche

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D>r g ei dH di Hi che Boden. 
Man nennt gewöhnlich die reformierte Reformation 
die schweizerische, im Gegensatze gegen die d e u t f ch e, 
b. h. lutherische Reformation; diese Bezeichnung ist aber durchaus 
nicht genau. Die sogenannte schweizerische Reformation war keines 
wegs nur das Werk von Schweizern, vielmehr größtenteils von 
edeln Männern aus Schwaben, Franken, dem Elsaß, Frankreich 
und Italiens, die nur nach der freien Schweiz flüchteten, weil 
sie dort Schutz und Unterstützung gegen Kaiser und Könige fanden. 
Wir müssen vielmehr, wenn wir auf den Anfang der Reformation 
sehen, Nord- und Nordost-Deutschland als den Herd der 
lutherischen Reformation, Süd- und West-Deutschland, wozu 
wir natürlich, nach damaligen Verhältnissen, die Schweiz und die 
Niederlande mitrechnen müssen, als den Herd der reformierten Re 
formation bezeichnen^). Diese beiden Teile des deutschen Rei 
ches waren aber in politischer, wissenschaftlicher und kirchlicher Be 
ziehung sehr von einander verschieden. In den westlichen und 
südlichen Kreisen war nach langem hartem Kampfe mit Fürsten 
und Herren von einer großen Menge republikanisch gesinnter Städte 
und Stämme die bürgerliche Freiheit kräftig errungen und ward 
als teuerstes Kleinod eifersüchtig verteidigt, und unter ihrem Schutze 
blühte nun das bürgerliche Leben und Wissenschaft und Kunst in 
freier, üppiger Entfaltung auf. Ganz anders war die damalige 
Lage (des sächsischen) Norddeutschlands. Hier gab es freie Reichs 
städte fast gar nicht; Fürsten und Adel bildeten den eigentlichen 
Kern der Nation^). Daher war dem eigentlichen Volke, das meist 
aus Bauern, wie noch jetzt, bestand, bürgerliche Freiheit noch ganz 
unbekannt; es war vielmehr seinen bürgerlichen und kirchlichen 
Oberherren vollkommen unterwürfig und kannte keine andere Pflicht, 
als diesen gehorsam zu sein. Daher herrschte hier das monar 
chische und aristokratische Element durchaus vor. Die Kultur, die 
hier wenigstens 800 Jahre später als in jenen schon von den Rö 
mern bewohnten Gegenden begonnen hatte, war auch noch sehr 
0 Nur Zwingli, Myconius und Virct waren Schweizer, dagegen Oecolam- 
pabius, Leo Juda, Haller, Farel, Calvin waren Ausländer. 
2 ) Mit vollem Rechte dürfen und müssen wir Süddentschland im Anfange 
der Reformation als mehr reformiert betrachten, denn bis nach 1530 standen die 
Süddeutschen auf der Seite Zwingli's, ja die meisten Reformatoren der Schweiz 
waren Süddeutsche, >md niemals hat sich Süddentschland, auch nachdem es 
durch politische Verhältnisse, vorzüglich durch gewaltsaine Einflüsse der Fürsten, 
lutherisch geworden war, mit ganzem Herzen an die sächsische Reformation ange 
schlossen, sondern immer reformierte Elemente in sich aufgenommen, eine Vor 
liebe zu den Reformierten gehabt und von Anfang an immer zwischen beiden 
zu vermitteln, zu unteren gesucht. 
°) Daher auch Luther 1520 sein vortreffliches Buch, das an die ganze Nation 
gerichtet war, „An den christlichen Adel deutscher Nation" überschrieb.
	        
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