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mit den Mährischen Brüdern und ebenso auch scholl 1530 mit den
Reformatoren der Schweiz, die ihre Vorläufer in den Savoyischen
Tälern aufsuchten. Damals war ^das Prinzip eines unbedingten
Gehorsams gegen das Wort der Schrift noch so kräftig in ihnen,
daß sie auf einer Generalsynode 1533 in Anwesenheit Farel's und
Saunier's auf deren Antrag nach besserer Einsicht in die Schrift
die von jenen als schriftmüßig erwiesenen Lehren von der Gna
denwahl, dem unfreien Willen, dem Eide, der Heiligung des
Sonntags, der Ehe der Geistlichen, bis auf wenige Geistliche, ein
stimmig annahmen, dagegen das Fasten und die Ohrenbeichte ab
schafften. Und gleich 1535 ließen sie für eine für sie fast uner
schwingliche Summe von 1500 Taler Gold durch Olivetan mit
Hülfe Calvins die erste französische Bibelübersetzung damaliger
Zeit aus dem Grundtexte anfertigen und zu Neufchatel drucken.
Die nahe Verwandtschaft dieser früheren reformatorischen Bewe
gungen mit der schweizerischen Reformation zeigt sich auch auffal
lend darin, daß die reformierte Kirche nachher gerade in den
Provinzen Frankreich's die zahlreichsten Anhänger fand, welche
früher von den Albigensern und Waldensern bewohnt gewesen waren,
in den Rheingegendcn und in Languedoc. Dasselbe Schrift
prinzip finden wir aber auch von den andern Vorläufern der Re
formation in den andern später so eifrig reformierten Ländern,
am Niederrhein und in England, geltend gemacht. Johann Wicliff,
Ooetor evangelica genannt, wirkte von 1360 bis 1384 in
England, übersetzte z u m Gebrauch für das Volk die
Bibel ins Englische, leitete alle Geltung anderer Schriften, selbst
der päpstlichen Dekrete, nur von der heiligen Schrift ab
und griff von dieser aus vorzüglich die römische Brotverwand
lungslehre an. Sein Schüler Huß behauptet: „Jeder Christ ist
verpflichtet, alle die Wahrheit zu glauben, die der heilige Geist
in der Schrift niedergelegt hat. Und ist daher nicht verpflichtet,
den Ansprüchen der heiligen Väter neben der heiligen Schrift
zu glauben und den päpstlichen Bullen nur, insofern sie aus der
Schrift gebieten, oder was sich einfach auf die Schrift gründet."
Johann von Oberwesel bei Coblenz, Prediger in Erfurt und
Worms, gestorben 1481, behauptete im Verhör vor seinen Richtern
zu Mainz, daß man nichts glauben dürfe, was nicht im Canon
der heiligen Schrift stehe," wollte nichts Anderes als gültiges Ge
bot anerkennen, „als was die Schrift gebiete, verachtete den Papst,
die Kirche und Konzilien und lobte Christum."
Johann von Goch, in Brabant lebend, gestorben 1475, be
hauptete: „Allein die kanonische heilige Schrift hat unzweifelhaften
Glauben und unabweisliche Autorität, und die alten Väter nur,
insofern sie nrit ihr übereinstimmen. Gottes Gebot und Vorschrift
ist vollkommen hinreichend zur höchsten und vollkommensten Be
obachtung des evangelischen Gesetzes; wir bedürfen daher keiner
neuen Vorschriften." Johann Wessel, Lehrer am Rhein und in
Belgien, gestorben 1489 in seiner Vaterstadt Groningen, der noch
am meisten Luther in dessen .Glaubensprinzip ähnlich war, ging
stets zurück auf die Schrift als auf das „reinste ursprünglichste