Full text: Die religiöse Eigentümlichkeit der lutherischen und der reformierten Kirche

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Zeugnis von Christo und als auf die einzige zuverlässige Erkennt 
nisquelle christlicher Wahrheit und protestierte von da aus 
gegen menschliches Ansehen, gegen die verpflichtende Auto 
rität des Papstes, der Kirche und der Tradition in Glaubens 
sachen/' Erasmus fußte bei all seinen Angriffen gegen die rö 
mische Kirche allein auf der heiligen Schrift, deren Autorität er 
mit seinem Verstände anerkannte, ohne in seinem Herzen 
irgend einen kräftigen Glaubensgrund gelegt zu haben, 
und hielt „den für einen ausgezeichneten und trefflichen Theologen, 
„der nichts über die heilige Schrift hinaus be 
haupten wollte." Daher hielt er nichts für wichtiger als die Ver 
breitung der heiligen Schrift, weshalb er auch 
zuerst das griechische Neue Testament in Basel herausgab, das 
ungeachtet des heftigen Widerspruchs der Mönche in vielen Auf 
lagen reißend schnell verbreitet wurde und die Reformation we 
sentlich vorbereitete. Ein solches positives Schriftprinzip war nun 
auch in Erasmus' Schülern, in Zwingli und in allen Schweizern 
lebendig und trieb sie dazu an: nach Verwerfung der verdorbenen 
papistischen Kirche eine neue christliche Kirche nach dem Worte 
Gottes aufzubauen oder: die alte apostolische Kirche in ihrer Ein 
fachheit möglichst vollständig wiederherzustellen, also nicht blos: 
„Reformation der Kirche," sondern Erneuerung (Renovation) 
der Kirche, Wiederherstellung des Christentums, Erneuerung 
des Evangeliums zu unternehmen. Wir können durchaus aus ihren 
eigenen Erklärungen deutlich sehen, wie sie gerade 
von diesem Grundsätze aus, durch eine von selbst sich ergebende 
Operation ihres Verstandes, sich klar wurden über die Notwendig 
keit einer Erneuerung des Evangeliums durch Abschaffung des 
Papsttums und Wiederherstellung der ursprünglichen, apostolischen 
Kirche in ihrer ersten Einfachheit, welche sie daher von Anfang 
an mit klarem Bewußtsein beabsichtigten, ehe sie noch wirklich 
Hand an das Werk der Reformation legten. Hören wir, wie sich 
Zwingli selbst in seiner ersten öffentlichen Verteidigungsschrift 
darüber ausspricht: „Er habe schweigen wollen, doch die unwür 
dige Behandlung der heiligen Schrift habe ihn zum Schreiben ge 
zwungen," und er verlangt dann „Schriftbeweise." „Die Lehre 
Christi wird verdächtigt, aber die heilige Schrift müssen sie meine 
Schutzwehr bleiben lassen, denn ihr nicht glauben, wäre die größte 
Treulosigkeit und Gottesvergcssenheit. Nirgends finden wir jemand, 
an den wir uns halten können, nicht bei Menschen, nicht bei den 
Alten, nur bei dem, was der heilige Geist eingegeben hat, das 
kann nie irre leiten. Endlich gelaugte ich dahin, daß ich mich auf 
keine Sache, auf kein Wort so fest verließ, wie auf das, so aus 
des Herrn Mund kommt. Wenn ich den Prüfstein suchte, so fand 
ich keinen andern als den Stein des Anstoßes und den Fels des 
Aergernisses, an welchem sich stößt, wer, wie die Pharisäer, Gottes 
Wort seiner Traditionen wegen verwirft. So verglich ich diese 
Aussprüche und fing dann an vermittelst dieses Steines alle Lehren 
zu prüfen. (Nicht wie Luther: diesen Stein nach dem Glau 
be n sprinzip). Sah ich, daß der Stein dieselbe Farbe zurückgab
	        
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