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wäre als ihre Menschengebote Und Lehr eü."
Es war aber nicht nur eine negative Abneigung gegen das
Papsttum, was die Reformierten zur Reformation antrieb, sondern
vielmehr die tief in ihrem Herzen eingewurzelte Ueberzeugung,
nur durch den genauesten und vollkommensten Gehorsam gegen das
Wort Gottes Gott selbst die Ehre geben zu können, die ihm
allein und nicht Menschen gebühre. Daher finden wir bei ihnen
allen als höchstes und letztes Ziel all ihrer Bestrebungen, die Jahr
hunderte lang durch Befolgung von Menschengeboten versäumte
und geschändete Ehre Gottes wiederherzustellen. Von der
Ehre, der' Verherrlichung Gottes (honor, gloria dei)
reden alle reformierten Reformatoren, Zwingli, Oekolampadius,
Mhkonius, Haller, Farel, Calvin, u n a u f h ö r l i ch und i n
allen möglichen Wendungen und Ausdrücken
immer v o n neue m, und deshalb wollen sie das lautere
Evangelium, die lautere Lehre Christi wieder ans Licht ziehen
und zu Ehren bringen. „Wir sind gesonnen, alles das zu tun,
was zur Ehre Gottes und Handhabung der Lehre
Christi dient" (die Berner), „daß die lautere Lehre
Christi unvermischt, ganz und gar, allenthalben und von
allen Menschen allein bekannt werde unb
über alles herrsch e." „Das wahre göttliche Wort für
und für, heiter und klar predigen und auf die wahre Ehre
Gottes mehr denn auf der Pfaffen Geiz geben." „Wir wollen
als getreue Diener des Wortes die Ehre Gottes, des
himmlischen Vaters durch C h r i st u m, uiit der
unverfälschten Lehre des Evangeliums inbrünstig und unverdrieß
lich verkünden" (Oekolampad). Haller ist in Bezug auf den Abcnd-
mahlsstreit: „an der Ehre Gottes und an der Wahrheit des
göttlichen Wortes mehr als an dem Brot gelegen." Zwingli will
zeigen, daß seine Lehre nicht Gotteslästerung, sondern
V e r h e r r l i ch u n g des Höchsten sei; „V e r h e r r l i ch u n g
Gottes und C h r i st i. Dafür sorge ich, daß Christus, dem
wir alles verdanken, verherrlicht werde; Christo gehorchen, Christum
und seine Wohltaten kennen, lieben und würdig benutzen, ist Se
ligkeit." — Bei Farel und Calvin ist die Ehre Gottes so
zusagen immer das dritte Wort. Vergleiche das treffende Motto,
das Henry in Cnlvin's Leben unter sein Bildnis gesetzt hat:
„Bellt doch ein Hund, wenn man seinen Herrn angreift, und ich
sollte meinen Mund verschließen, wenn Gottes W a h r-
heit angetastet wird ?"
Es sind dies nicht einige vereinzelte, sondern immer wieder
kehrende Ausdrücke, Ich habe einige darum wörtlich hierher ge
setzt, um ihre Eigentümlichkeit dem Leser selbst fühlbar zu machen
und um auf den andern wichtigen, in die ganze Reformation ein
greifenden Unterschied aufmerksam zu machen, daß die Lutheraner
das Christentum als Evangelium und den Glauben an Christum
als heilbringend und segensreich auffassen, die Reformierten oa-
gegen als Lehre (doetrina) Christi, die man befolgen müsse
um selig zu werden, den Glauben an Christum daher als Gebot