Full text: Die religiöse Eigentümlichkeit der lutherischen und der reformierten Kirche

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So predigte denn Zwingli „unter großem Volkszulauf mit 
Lobpreisung Gottes und mit Hinweisung auf Christum als die 
einzige Quelle des Heils, mit Ermahnung, sich christlicher Liebe 
und eines gottseligen Wandels zu befleißigen, den Aberglauben in 
der Lehre und im Gottesdienst, den Müßiggang, die Unmäßig 
keit und Kleiderpracht zu fliehen und durch wahre Besserung des 
Lebens der Gnade Gottes würdig zu werden". Darum, weil er 
das Wort Gottes trieb und auf seiner Seite hatte, freute es ihn, 
daß jene Leute „unsere, oder nicht unsere, sondern Christi Lehre 
eine Teuselslehre nannten; denn ich sehe daraus, daß sie wirklich 
Christi Lehre ist, und wir echte Prediger derselben sind; ... sie 
wollen das Evangelium und Christum verfolgen." Er lobte an 
Luther, „von dessen Lehre er wenig gelesen, von dessen Büchern 
er sich oft mit Fleiß enthalten, gerade das, daß er mit so großem 
Ernst die Schrift durchforscht, als seit tausend Jahren irgend einer 
auf Erden gewesen ist." Was er von ihm kennt, ist: „in so weit 
es Lehren und Meinungen der heiligen Schrift angeht, gemeinig 
lich wohl untersucht und gegründet," (d. h. das negative 
Schriftprinzip ist gut.) „Ich weiß, daß er in etlichen Dingen den 
Schwachen vieles nachgibt, z. B. in dem Büchlein von den zehn 
Aussätzigen, läßt er, wie mail mir sagt, der Beichte etwas 
nach, daß man sich dem Priester solle darstellen, welches doch aus 
dieser Erzählung nicht gezogen werden kann. . . . Predigt Luther 
Christum, so tut er's wie ich; wiewohl Gott sei Dank durch ihn 
eine unzählbare Menge, mehr als durch mich und andere, zu 
Gott geführt wird. Ich will keinen Namen tragen (d. h. nicht 
Luthers Namen) als meines Hauptmanns Jesu Christi, dessen 
Streiter ich bin. — Es kann kein Mensch sein, der Luther höher 
achtet als ich." 
Wie er p r e d i g t e, so schrieb auch Zwingli, sowohl 
in seiner ersten anonymen Schrift, (für Luther, mit der Forderung, 
daß man ihn nicht verurteilen, sondern widerlegen solle), als auch 
in seinen eigenen Verteidigungsschriften und in seinen freund 
schaftlichen Briefen. Und seine Worte wirkten rasch; das ganze 
Volk wandte sich allmählich ab von den Menschensatzungen zu 
Gottes Gebot; das Ruralkapitel Zürichs (das Kapitel für das 
Land) beschloß den 15. August 1522: „nichts Anderes zu pre 
digen, als was in Gottes Wort enthalten wäre", und Laien ver 
teidigten Zwingli gegen seinen Bischof: „Das Evangelium weiß 
in den Dingen, welche den Glauben betreffen, von keiner irdischen 
Obrigkeit. . . . Wir haben die heilige Schrift für uns und sollen 
doch, wenn die Lehrer das Gegenteil sagen, das Wort Gottes 
fahren lassen? Nein, wir halten uns an die heilige Schrift und 
lassen ihr keinen Lehrer an die Seite setzen, wenn wir gleich des 
wegen Ketzer sein müssen." 
Und als nun Streitigkeiten ausbrachen, als der Papst alles 
Mögliche versprach, der Rat aber nicht wußte, wie er zu handeln 
habe, da warnte Zwingli „vor des Papstes List", erinnerte an 
„die unbedeutenden Beschlüsse des Konzils zu Basel, wo die Lehre 
C h r i st i gar nicht berücksichtigt und erwähnt worden sei," und
	        
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