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häufig von der notwendigen Folgsamkeit (docilitas) gegen Gott
und bezeichnet seine Bekehrung treffend mit den Worten: „Gott
hat durch eine plötzliche Bekehrung mein Herz zur Folgsam
keit gezwunge n." Ein 25 jähriger Jüngling, spricht er in
seiner ersten Schrift, (Wider den Seelenschlaf), deren alleinige
Grundlage die heilige Schrift ist, folgendes aus: „Heißt das
Jesum Christum kennen lernen, wenn man neben dem Worte
Gottes sein Ohr leiht allerlei Lehren, obgleich sie nicht wahr sind?
W i r wollen uns als Gott gehorsame Schüler, wie er uns ha
ben will, erweisen, demütig, arm, ohne eigene Weisheit, voll
Begierde zu lernen, und nichts wissen, als was er uns lehrt,
und desto mehr als tätliches Gift fliehen alles, was nicht in
seiner Lehre enthalten und ihr fremdartig ist." Und einen Monat
vor seinem Tod schreibt er der Herzogin von Ferrara: „Die Liebe
läßt Sie vergessen, was Sie sonst wohl wissen. Da ich nämlich
gesagt habe, daß David durch sein Beispiel lehrt, die Feinde
Gottes zu hassen, antworten Sie: das sei nur eine damalige Zeit
vorstellung, nach der unter dem strengen Gesetze es erlaubt gewesen
sei, die Feinde zu hassen. OK, IVlackarne, cette glose serait pour
renverser toute I’öcriture, et pourtant il saut la fuir comme peste
morteile ; denn man weiß ja, wie David selbst an Milde den Besten,
den man jetzt finden könnte, übertroffen hat." Und an Laelius
Socinus schreibt er, um sein Verfahren in Bezug auf die Er
wähl u n g s l e h r e zu rechtfertigen: „Ich wenigstens bin so
sehr als irgend jemand allen Paradoxen feind und liebe keine
Spitzfindigkeiten; aber nichts in der Welt wird mich jemals hin
dern, freimütig zu bekennen, was ich immer aus dem Worte
Gottes gelernt habe; denn das soll meine einzige Weisheits
regel sein: an der einfachen Lehre der heiligen
Schrift festzuhalten. Aber tausendmal eher soll mich
die Erde verschlingen, als daß ich nicht horchen sollte aus das,
was mir der Geist Gottes durch den Mund der Propheten sagt
und gebeut, damit nicht der Schimpf, womit Gottes heilige Ma
jestät befleckt wird, auf mein Haupt zurückfalle."
Wir haben absichtlich von allen Hauptreformatoren einige aus
führliche Stellen mitgeteilt, um dem Leser die große Verschieden-
heit der beiden Konfessionen in ihren Reformationsprinzipien
recht bemerklich zu machen. Diese ursprüngliche Differenz zieht sich
nun aber durch die ganze Reformationsgeschichte hindurch, sie tritt
am a u f f a l l e n d st c n hervor in d e m K a m p f d e r b e i-
dcn Pavteien untereinander; sie ist öffentlich aus
gesprochen und festgestellt in den sy m b o l i s ch e n B ü chern
und hat entscheidenden Einfluß gehabt auf das R e f o r-
mationsverfahren der beiden Parteien.
Mit Recht könnte hier gefragt werden: warum denn die lu
therische Reformation gewissermaßen auf halbem Wege stehen
geblieben sei und das Schriftprinzip nur teilweise angewendet habe
und nicht auch in i h r der Grundsatz der alleinigen Autorität der
heiligen Schrift unter Verwerfung alles Nicht- oder Unbiblischen
auf positive Weise sich geltend gemacht habe? Wir können hier