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a I l gute Aufnahme fanden und, mit Berufung auf Luther, in
allen Dingen größere Entschiedenheit und S ch r i f t m ä ß i g-
k e i t verlangten, da glaubte Carlstadt ganz in Luthers Sinn zu
handeln, wenn er endlich Hand an eine g r ü n d l i ch e, durch
aus s ch r i f t g e m ä ß e Reformation lege. Er hatte schon früher
kräftiger und rascher gegen die Mönchsgelübde verfahren als Luther,
1Si sogar sich schon verheiratet, als Luther noch sehr bedenklich über
einen solchen Schritt war, und fing nun an, an derjenigen
Kirche, deren Probst er war, an der Allerheiligen- oder
Schloßkirche zu Wittenberg, die papistischen Mißbräuche, die Messe,
den Bilderdienst, das Fasten, die Beichte, das Abendmahl unter
einer Gestalt und die Privatmeffe abzuschaffen imb die ursprüng
liche Einfalt des öffentlichen Gottesdienstes wieder einzuführen,
alles unter ausdrücklicher Berufung n u f
d i e heilige Schrift, ganz wie die Reformierten cs in
der Schweiz ohne viel Aufsehen taten, in bestimmter Erwartung
des Beifalles Luthers, wie ja auch schon der Rat zu Wittenberg
f entschieden für seine Maßregeln aufgetreten war. Carlstadt be
ruft sich in feiner Verteidigung gegen den kurfürstlichen Rat Ein
siedel auf das Wort Gottes: „Daß wir bisweilen uneinig sind,
geschieht derhalben, daß wir achten, als möchten w i r durch
unsere Vernunft auch was erdenken, das Gotte
behaglich ist. Also ist Uneinigkeit im Artikel der Beichte entstan
den. Für meine Person sage ich, daß ich der Schrift na ch-
gefolgt. Ich habe auch gebeten, daß unsere Obrigkeit den
Predigern bei schwerer Pön (Strafe) wollt gebieten, nichts zu
p r e d i g e n, denn das die Schrift enthält
und lehr t." (Warum billigte Luther dies nicht, und warum
I erließ die lutherische Obrigkeit nicht diesen bei den Reformierten
so häufig vorkommenden Befehl?) „M ich soll auch gewiß
kein Tod vom Grunde der Schrift abführen . . .
Darum bleibe ich stracks in Gründen göttliches Wortes
und lasse mich nicht irren, was andere lehren." — Mit ihm ver
einigt handelten die Schwärmer aus Zwickau, die, mächtig er
griffen von der allgemeinen Aufregung, zum Teil berufene Pre
diger des Evangeliums, dort durch einen treuen Anhänger Luthers
an ihrem radikalen Treiben gehindert, nach Wittenberg kamen
und vornehmlich an der allerdings nicht in der Schrift
befohlenen K i u b e r t a n f e als an einem papistischen,
unschriftmüßigen Mißbrauche Anstoß nahmen. „Luthers schnelles
Urteil gegen ihre Lehre verrät in der Tat nicht so viel wahrheits
liebenden Prüfungsgeist als Anhänglichkeit an seine gewohnten
Vorstellungen", und wenn er selbst in seinem Briefe an Melan-
chthon sagt, „daß die Kindertaufe zu verwerfen sei, wenn n i ch t
erwiesen werden könne, daß der f r e m d e Glaube der Eltern
den Kindern zu Gute komme," und wenn er dieses, weder an
sich, noch aus der Bibel Erweisbare wirklich nur schlecht beweist,
dann kann man es den Zwickauern wahrlich nicht übel nehmen,
wenn sie sich von Luther nicht überzeugen ließen, sondern auf
ihrer Meinung beharrten.