Full text: Die religiöse Eigentümlichkeit der lutherischen und der reformierten Kirche

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ich bin dem Papst, dem Ablaß und allen Papisten entgegenge 
standen, aber mit keiner Gewalt, mit keinem Frevel, mit keinem 
Stürmen, sondern Gottes Wort habe ich allein getrieben, gepre 
digt, geschrieben, sonst habe ich gar nichts getan; das hat, wenn 
ich geschlafen habe, wenn ich Wittenbergisch Bier mit meinem 
Philippo und Amsdorf getrunken habe, also viel getan, daß das 
Papsttum also schwach geworden ist, daß ihm nie kein Fürst noch 
Kaiser soviel abgebrochen hat. Ich habe nichts getan; das Wort 
hat es allein gehandelt unb ausgerichtet" . . . „M u ß sein und 
frei fein ist ein Unterschied: muß sein ist der Glaube, 
den laß ich mir nicht nehmen; frei sein mag ich gebrauchen oder 
lassen, aber keine lieblose Freiheit. Christum glauben, m u ß sein; 
aber die Liebe zwingt dazu nicht." Und in Bezug auf die 
Ceremonien: „Und wenn darnach aller Gemüt und Sinn zu 
sammenstimmte und vereiniget würde, so tue man dan n ab, 
was nicht recht ist; aber wo aller Gemüt und Herz noch 
dabei ist, da laß Gott walten, da bitte ich dich um, du machst 
sonst nichts Gutes . . . Wenn nur der Glaube frei, rein 
und stark ist." Er selbst wollte z. B. „die Bilder wären in der 
ganzen Welt abgetan, um des leidigen Mißbrauchs willen, wel 
chen ja niemand leugnen kann;" nur wollte er keine Gewalt haben; 
auch billigte er sie, wenn sie nur nicht angebetet würden^), wider 
legte jedoch die von seinen Gegnern beigebrachten Gründe, nach 
der Forderung, die sie in reformierter Weise auf völlige und 
alleinige Schrift Mäßigkeit aller einzelnen Ein 
richtungen machten, keineswegs genügend^. Es ist bekannt, daß 
Luther damals alle diese Bewegungen durch die Gewalt seines 
Wortes unterdrückte. Carlstadt, unterdrückt, aber nicht widerlegt, 
hielt sich noch zwei Jahre stille und fing dann den Streit 
über das Abendmahl von demselben Prinzip aus an, und 
die Schweizer, die seine Ueberzeugung im Ganzen teilten, setzten 
den Streit von demselben Grundsätze aus fort. 
Gegen die Zwickauer Schwarmgeister, die das knechtische, buch 
stäbliche und halbe Wesen der Reformatoren tadelten, benahm sich 
Luther persönlich milde und vorsichtig, schrieb aber auch: 
„Es ist Not, daß wir auf der Mittel st raße bleiben; wo 
sie mit ihrem Geiste hinwollen, da gedenke ich nicht hinzukommen. 
Gott behüte mich ja vor der christlichen Kirche, darin eitel Hei 
lige sind. Ich will in der Kirche sein und bleiben, darin Klein 
mütige, Schwache und Kranke sind, die ihre Sünde, Elend und 
Jammer erkennen und fühlen". „Eines Jeden Gewissen muß 
s e I b st sehen, daß es mit dem E v a n g e l i u m überein 
stimme, bis alle wachsen und alle evangelisch werden. Dann in 
dieser Sache ist das Volk zu regieren, nicht nach dem, was 
das Evangelium enthält, sondern nach dem, was 
tz Vgl. dagegen Sebastian Meyer in Bern, 1524: „Und ob auch jemand sagen 
wollte, die Bilder sind der Laien Bücher und ermahnen uns des seligen Lebens der 
lieben Heiligen, so hat dieß Gott auch wohl gemußt, und dennoch hat er sie verboten." 
2 ) Er tadelte z. B. scharf das Anfassen des Sacraments mit den Händen, 
und doch steht in der Schrift: „Nehmet, esset."
	        
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