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satze gegen bie Schweizer auf die Uebereinstimmung
seiner Lehre mit der heiligen, christlichen Kirche von Anfang an;
„die Zulassung solcher Rottengeister würde das Gewissen des
Herzogs greulich beschweren, nicht nur der Seelen halben, sondern
auch der ganzen heiligen Kirchen halbe n, Wider
welcher so lang hergebrachten und allenthalben gehaltenen Glauben
und einträgliches Zeugnis etwas zu lehren, nicht gestattet werden
darf". *) Und auch Mclanchthon zieht sich in seinem Schreiben
an Bucer über die schweizerischen Differenzen nicht auf das ob-
jektive Wort Gottes, sondern auf sein subjektives
Gewissen und die Autorität der Kirche zurück
(23. Juli 1530): „Es scheint mir nicht nützlich für den Staat
oder sicher für mein Gewissen, unsere Fürsten mit der Ungunst
eures Dogmas, von dessen Richtigkeit ich weder mich noch andere
gegen die Autorität der Kirche überzeugen kann,
zu belasten." Die reformierte Kirche hat dagegen jede kirchliche
Tradition ausdrücklich und unbedingt verworfen, ja sogar verkannt
oder ignoriert, daß sie wenigstens durch Tradition der Kirche die
heilige Schrift selbst als Gottes Wort überliefert erhalten hat und da
her die heilige Schrift meistens wie einen cieU8 ex machina (eine Wir
kung ohne Ursache) angesehen. Die reformierte Kirche hat auf
diese Weise die Entwicklung der christlichen Kirche durch 15 Jahr
hunderte hindurch völlig ignoriert, die verderbte Kirche durch
Zurückführung auf ihre ersten Anfänge gründlich (radikal) heilen
wollen; deshalb ist sie aber auch zwar eine biblische, aber
auch eine durchaus ungeschichtliche Kirche geworden, welche keine
Geschichte, weder eine Vergangenheit noch e i n e Zu
kunft, haben kann und will, sondern sich immer in dem in der
heiligen Schrift vorhandenen Anfange der Kirche fixieren will, zu
dieser ihrer Ansicht nach allein vor Gott geltenden Gegenwart
immer zurückkehren will und darum jedem einzelnen Mitglieds
stets die Berechtigung zugesteht, möglichst vollständige Schriftmü-
ßigkeit aller Einrichtungen zu verlangen und dieselbe immer wie
der auf die Schrift zurückzuführen und nach ihr einzurichten, was
dann zum Sektenwesen Veranlassung gibt.
Luther war von dem Bedürfnis seines Herzens aus zur Re
formation gekommen, darum ging er auch nie weiser, als dies
sein Bedürfnis, sein Gewissen ihn trieb. Dieser subjektive Maß
stab, den er jedoch objektiv nie deutlich vorlegen konnte, gab
seinem ganzen Verfahren zwar einen höchst gemäßigten, vorsichti
gen und weisen Charakter, aber auch ein gewisses Schwanken,
eine gewisse Unklarheit und Ungewißheit über die Mittel, den
Gang und das Ziel der Reformation. Er repräsentiert vollständig
tz Schön antworteten die Züricher, ganz nach ihrem Schriftprincip, auf
diesen harten Brief Luthers: „Wir vormeinen auch Christen zu sein, ob wir
gleich in diesem Artikel Luthern nicht können zufallen. Die Liebe mit dem
Glauben an die Worte Gottes ist uns der teuerste Schatz. Den Glauben der
Schrift halten wir teuer und hoch, forschen ihm fleißig nach, Gott bittend, daß
er uns die Schrift aufschließe. — Was die Schrift nicht verwirft, verwerfen wir
auch nicht", und sie bieten Luther allen Frieden und alle Liebe, allein daß er
sie nicht dringe von erkannter Wahrheit.