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fassung; nur werfe uns der römische Papst nicht weg." Und
an seinen protestantischen Freund Silberborner schrieb er 1530:
„Wenn wir dieses (Duldung) von unsern Gegnern erlangen könn
ten, so zeigten wir uns bereit, ihnen alles einzuräumen, was zur
Feststellung des Ansehens der Bischöfe gehöre. Denn wir
sind ja nie daraus ausgegangen, die kirch
liche Verfassung aufzulösen. Nur das
Evangelium sollten die Päpstlichen nicht
verdammen. Außerdem gaben wir zu erkennen, daß wir in
den kirchlichen Gebräuchen alles, was an sich gleich
gültig zu sein schiene, mit ihnen gemeinschaftlich beibehal
ten wollten. Keine Last, sofern sie ohne Sünde übernom
men werden könnte, wiesen wir von uns."
Daß Luther mit solchen Vorschlägen vollkommen einverstanden
war, sieht man aus feinem mit Melanchthon und Jonas abgefaß
ten Bedenken, wo er aber von der Lehre sagt: „In ihr
kann und soll man nicht weichen. Denn die Stücke, die wir strei
ten, betreffen das H a u p t st ü Ä der christlichen
Lehr e", worauf er dann die andern einzelnen Gebräuche j e
nach i h r e m Z u s a m m e n st i m m e n mit dem Glau
ben an Christum verwirft oder zuläßt, und zwar zuläßt:
die gottesdienstlichen Zeremonien, gesetzte Fasten und Feiertage,
alte Gewänder und Gesänge in der Messe, die Beichte und Ge
richtsbarkeit der Bischöfe.
Diese unsichere, schwankende Stellung der lutherischen Kirche
drohte ihr mehrmals den Untergang, und äußerlich b e t r a ch-
t e t würde sich auch eine solche Reformation, w e n i g st e n s i n
Deutschland, nicht haben halten können, wenn sie nicht bald
ein Gegenstand der selbstsüchtigen Politik der Fürsten geworden
wäre. Aber in den Händen kalt berechnender Staatsmänner kühlte
sich auch die informatorische Begeisterung schnell ab, so daß,
als es nun gleich nach Luthers Tode und später öfters zu einem
Religionskriege kam, dieser nie, wie in der reformierten Kirche
in Frankreich, Holland, Schottland und England, von dem für
seinen Glauben glühend begeisterten und darum gern alles auf
opfernden Volke geführt wurde, sondern nur von den Fürsten und
den ihnen gehorchenden Heeren. So wurde auch von seiten der
Politik Luther die reine Freude an seinem Werke sehr getrübt,
indem es dadurch aufhörte eine reine G l a u b e n s s a ch e zu
bleiben. Darin konnte sich der einfache und schlichte Glaubens
held noch weniger als in den Druck äußerer Gewalt schicken; er
fühlte, daß das von ihm begonnene Werk ein anderes geworden
war, als er gedacht hatte; er sah sich in äußere Verhältnisse ver
wickelt, zu deren Entwirrung er nach seiner Demut und innerli
chen Lebensrichtung sich nicht berufen glaubte. Doch ward er,
wenn ihm auch menschlicherweise oft bange wurde, in seinem
Glauben an die Durchhülse seines allmächtigen Gottes niemals
irre. Er hoffte zuversichtlich von der alles besiegenden Kraft des
Wortes Gottes nicht nur Erhaltung und Ausbreitung, sondern
auch Vollendung des noch lange nicht vollendeten Werkes, worin