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weilen bis zum Konzil richten sollten", welches von zwei Katho
liken und einem Lutheraner verfaßt war, wäre die ganze luthe-
rische Reformation beinahe ein lächerlicher Schein geworden; denn
es hatten alle eigentümlich lutherischen Dogmen eine katholische
Beimischung erhalten, die sieben Sakramente, die Lehre von der
Transsubstantiation und die ganze Messe mit allen übrigen katho
lischen Ceremonien wurden wieder eingeführt. In Süddeutschland
wurde dieses Interim fast überall mit Gewalt eingeführt und die
widerstrebenden Theologen vertrieben; Brandenburg und die Pfalz
nahmen es sogleich an, nur die norddeutschen freien Städte ver
warfen es desto entschiedener. Die Wut des unterdrückten und
zum Teil von ihren Fürsten verratenen Volkes gegen die papisti
schen Mi ßbräuche stieg immer mehr, bis endlich nach vier Jahren, nicht
ein allgemeiner Religionskrieg, sondern der glückliche Handstreich
des zweideutigen Moritz von Sachsen der lutherischen Kirche die
politische Berechtigung im deutschen Reiche gab, deren sie
sich, nachdem der Versuch Oesterreichs, sie ihr wieder zu nehmen,
im dreißigjährigen Kriege durch Dänemark vergeblich, durch Schwe-
den glücklich, jedoch ohne bedeutende Teilnahme Sachsens und des
lutherischen Volkes zurückgewiesen worden ist, noch erfreut.
Wir verlassen wieder die lutherische Kirche, nachdem wir ihr
eigentümliches Reformationsverfahren zu erkennen gesucht haben.
Mit dem Jahre 1555 ist für sie die Reformation völlig abgeschlossen;
alle Lebensäußerung in ihr beschränkt sich von da an gänzlich auf
ihre innerliche Ausbildung; ihre verbreitende TN
tigkeit nach außen besteht nur in ununterbrochener, trauriger und
fruchtloser Polemik, vorzüglich gegen die verhaßten Reformierten.
Uebrigens breitete sie sich von da an nicht nur keineswegs weiter
aus, verlor vielmehr, vorzüglich gegen die reformierte Kirche, be
deutend an Terrain, indem nicht nur alle westlich von Deutschland
entstandenen reformierten Kirchen, die einst zum Teil von damals
noch sogenannten Lutheranern gestiftet waren, sich entschieden von
der lutherischen Kirche lossagten und sich zu Zwingli's und Cal
vin's Prinzip und Verfahren bekannten, sondern indem die Refor
mierten sogar von da aus offensiv östlich vordrangen und Jülich-
Cleve-Berg, Pfalz, Nassau, Hessen-Cassel, Lippe, Ostsriesland,
Bremen, Anhalt, Brandenburg (hier nur das herrschende Haus,
nicht das Land) den Lutheranern ganz oder teilweise abwendig
machten. Und, gerade von der Zeit an, wo die lutherische Re
formation in ihrem allmählichen Fortgange stille stand, entfaltete
die reformierte Kirche, vorzüglich nachdem sie durch Calvin's kräf
tiges Wirken und tiefe Frömmigkeit einen kernhaften Ausgangs
punkt und eine innerlich und äußerlich vollendetere Gestalt empfan
gen hatte, eine so große Fülle von Kraft und Regsamkeit, daß weder
die heftigste und festeste Opposition der mächtigsten Könige Europas,
noch die äußersten Anstrengungen des Papsttums die vollkommene
Ausbildung und unaufhörliche Ausbreitung der reformierten Kirche
verhindern konnte. Daher hat sich in allen jenen Ländern die re
formierte Kirche, während sie unablässig der lutherischen die Bru
derhand bot, in ungeschwächter Opposition gegen das Papsttum