Full text: Die religiöse Eigentümlichkeit der lutherischen und der reformierten Kirche

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dazu an, wobei er seines Lebens '.gar nicht schonte; und das da 
mals übermächtige Bern unterstützte ihn nicht ohne Ungerechtig 
keit. Oft wurden, sobald sein Wort Eingang gefunden, die Altäre 
auf der Stelle umgestürzt, die Bilder und Gemälde verbrannt, 
die Hostie verspottet und die Kirche bis zu den Orgeln hinab 
alles katholischen Schmuckes beraubt. Auf so durchgreifende Weise 
reformierte er in der ganzen französischen Schweiz, im Elsaß, in 
Lothringen und Burgund, „donnerte wie ein Prophet gegen die 
Mißbräuche des Papsttums, erklärte sich aber auch öffentlich be 
reit, sich an Leib und Leben strafen zu lassen, wenn man ihm be 
weise, daß er geirrt und nicht nach Gottes Wort geredet habe"; 
wo aber nicht, so forderte er dagegen „von jedem. Christen 
Gehör und Gehorsam für Gottes Wort." Mit derselben Kraft und 
unerschütterlichen Festigkeit arbeitete Calvin, unermüdlich wie sein 
Freund, an dem Werk des Herrn. „Mit Milt nnb Umsicht be 
stritt Calvin das papistische System auf allen Punkten von deul 
Grundsätze aus, man könne von ihm nicht weit genug abweichen; 
zerriß den Zusammenhang der alten und neuen Genfer Kirche in 
seinen feinsten Fäden und basierte letztere, unter dem Widerspruch 
zahlreicher Gegner, aber von einem kräftigen Volke unterstützt, rück 
sichtslos durchgreifend „allein auf die Grundlage der heiligen 
Schrift," und stiftete, laut Knox' Aeußerung, die vollkommenste 
Schule Christi. Nie hatte Knox „eine so auf den Grund gehende 
Reformation der Sitten und der Religion gesehen". Was er aber 
in Genf sah, begeisterte ihn für sein eignes Reformationswerk in 
Schottland, so daß er, ohne blinde sklavische Nachahmung, der ihm io 
teuern schottischen Kirche zu einer ähnlichen, dem göttlichen Worte 
und dem Geist und Bedürfnis seines Volkes angemessenen, radi 
kalen Umgestaltung verhalf und zwar sogar auf bleibendere Weise 
als selbst in Genf, so. daß die schottische Kirche jetzt noch erscheint 
als ein in der christlichen Welt unerreichtes Muster innerer und 
äußerer Verfassung, schriftmäßig und rein erhalten in Lehre, Kul 
tus, Zucht und Regierung und höchst wichtig in ihrem Einfluß 
auf das sittliche Leben des Volks." 
Genfs und Schottlands Reformationen wurden aber wieder 
Muster und Vorbilder für Frankreich und Holland, für England 
und die Nheinlande, wodurch allen Reformierten der Charakter 
durchgreifender Strenge, scharfer Entschiedenheit, unbeugsamer Ab- 
ueigung gegen das Papsttum und starren Festhaltens an der bib 
lischen Einfachheit (Rigorismus und Purismus) in unauslöschli 
chen Zügen ausgeprägt worden ist. 
S i t t e n r e f o r m a t i o n. 
Wir sind hierdurch zugleich auf den zweiten wesentlichen Un 
terschied des lutherischen und reformierten Reformationsverfahrens 
gekommen, auf das Verhalten der beiderseitigen Reformatoren in 
Bezug auf die Sitten reformation, und hier kann die Verschie 
denheit nicht bestimmt genug hervorgehoben werden, da Luther
	        
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