Full text: Die religiöse Eigentümlichkeit der lutherischen und der reformierten Kirche

69 
wir dasselbe immer mit gleicher Ehrfurcht und Gehorsam anneh 
men müssen." Und das alles lehrt er schon vom m o s a i s ch e u 
Moralgesetz, wie vielmehr von deni neuen Gebot C h r i st i! 
So ward denn die Lehre C h r i st i, wie sie in der heili 
gen Schrift enthalten ist, von den reformierten Reformatoren ge 
braucht zur gründlichen Wiederherstellung der Sitten. Zwingli 
sprach schon 1520 das Bedürfnis derselben bestimmt und deutlich 
aus: „Der Wandel der Christen ist so weit von jener wahren, 
evangelischen'^ Lehre Christi abgewichen, daß alle Welt ge 
stehen muß, es sei eine allgemeine und auf 
fallende Wiederherstellung der Gesetze und 
Sitten notwendi g." Diese fand denn nun auch in der 
ganzen reformierten Kirche statt, und es tat auch große Not. 
Die schamloseste Unstttlichkeit herrschte damals in den Städten der 
Schweiz, und das sonst so einfach sittliche und keusche Volk 
war in Gefahr, durch den schnell erworbenen Reichtum, die frem 
den Gelder und das Reislaufen gänzlich zu verderben. Da trat 
zur rechten Zeit die gründlichste Sittenreformation ein, deren segens 
reiche Folgen sich sichtbar bis auf unsere Tage erstreckt haben. 
Alsbald wurden in Zürich und unter Zürichs Beistand auch in 
Bern die Pensionen öffentlich von allen Bürgern abgeschworen, das 
Reislaufen verboten, alle unzüchtigen Weiber aus der Stadt ge 
jagt und dagegen die Sittengerichte, Armenpflege, Sonntagsgesetze 
gegeben. Mykonius schreibt darüber folgendermaßen: „Zwar heißt 
es, niemand könne finden, daß die Züricher frömmer geworden 
seien als andere, Ungerecht ist dieser Vorwurf. Das Evangelium 
wird gepredigt und als R i ch t s ch n u r des Wandels an 
genommen. Der Kultus ist allein nach den Forderungen der hei 
ligen Schriften zur Ehre Gottes und Jesu eingerichtet. Ehebruch, 
Stolz, Kleiderpracht verschwinden; jeder flieht unehrlichen Gewinn; 
Liebe, Wohltätigkeit,^Gerechtigkeit blühen auf. Die Verbindungen 
mit fremden Fürsten und die Pensionen find aufgehoben. Schwie 
rige Sachen werden nach dem Worte Gottes entschieden, das jeder 
Christ lesen darf." In Basel bestätigte der Rat 1532 die Refor 
mation mit dem Anerbieten: „einem jeden aus den heiligen Schrif 
ten Rechenschaft des Glaubens zu geben und, wenn er irre, sich 
eines Bessern belehren zu lassen, d a m i t alle ch r i st l i ch e 
Zucht u n d Demut bei u n s erfunden werde, 
Unterricht z u v e r U e. h m e n." Sittenmandate wurden 
erlassen; alle Ueppigkeit wurde scharf verboten; die üppigen Ge 
wohnheiten junger Leute und verschwenderische Ausgaben einge 
schränkt. Man schloß die schändlichen Häuser der Unzucht, die 
lange so großes Aergerniß gaben. Mykonius wollte den Ehebruch 
nach göttlichen Gesetzen streng bestraft wissen, und 
unterdessen mußten die Baseler mit Schmerz sehen, wie in ihrer 
Nähe mit der gewaltsamen Wiedereinführung der Messe Spiel 
sucht, Trunkenheit, SchmähsUcht, Wollust und die Freiheit aller 
Laster zurückkehrten. Das Herrlichste geschah in Gens, vorzüglich 
von Calvin, der der ganzen reformierten Kirche auf immer das 
Gepräge des sittlichen Ernstes und der Strenge gegeben hat. Man
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.