Full text: Die religiöse Eigentümlichkeit der lutherischen und der reformierten Kirche

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betn streng biblischen Standpunkte der scharfen Scheidtmg zwischen 
dem Reiche Gottes und der Welt. lind während es bei den Re 
formierten sich von s e l b st v e r st e h t, daß ein wahrer 
Christ und vor allem der christliche Prediger sich zurückzieht von 
allem diesem, belegt man seit 1700 in der lutherischen Kirche die 
jenigen, die ähnliches tun, „w egen ihrer zu großen 
und zu st r e n g e n Frömmigkeit" mit dem Spottna 
men der P i e t i st e n, und selbst die gläubigen Lutheraner er 
lauben sich und ihrem Prediger Dinge, worüber der Reformierte 
erstaunt. Der sittliche Rigorismus der Reformierten zeigt sich der 
lWerischen Laxheit gegenüber oft sehr charakteristisch. Ich muß 
hier zunächst aufmerksam machen auf das in furchtbarem Grade 
in der lutherischen Kirche, und leider z. B. gerade auch iu Witten 
berg, herrschende Laster des Fluchens und Schwöreus, was man, 
im Vergleich hiermit — ich sage die Wahrheit, — garnicht oder 
nur weit weniger iu reformierten Gemeinden findet und bei den 
Sekten garnicht. Niemals ist iu der lutherischen Kirche die wich 
tige Pflicht der unbedingten Wahrhaftigkeit so kräftig be 
hauptet und durchgesetzt worden wie bei den Reformierten. Luther 
erlaubte sich nicht nur Notlügen, sondern er verteidigte sie sogar, 
wie auch Melauchthon und Chemnitz; der erste systematische Mo 
ralist, Dürr, brachte sie sogar unter den drei Modifikationen: als 
Notlüge, um Schaden zu vermeiden, um einen Dien st zu 
erweisen, um S ch e r z zu treiben, iu ein System. Das konnte 
einem Reformierten niemals einfallen; Gottes Wort ist dagegen; 
sie verwarfen jede Notlüge mit Hinweisung auf ihre innere Uu- 
sittlichkeit.
	        
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