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Gliedern gleich, verkümmert und verdorrt sind, läßt ftcf) leicht er
klären.
So wie diese Sekten, die Taufgesinnten und die
Quäker, ihr Augenmerk vorzüglich auf die moralischen,
kirchlichen und politischen Vorschriften der heiligen
Schrift richteten, so suchten dagegen die S o c i n i a n e r und
A r m i n i a n e r jeden nicht biblischen dogmati -
s ch e n Ausdruck, jede ihrer Meinung nach nur aus der verderb
ten Tradition der katholischen Kirche herstammende Glaubenslehre
stuf die biblische Sprache und Einfachheit zurückzuführen.
Dazu bedurfte es gründlicher Exegese, vermittelst welcher sie auch
die andern christlichen Kirchen gründliche uub schonungslos an
griffen. Sehr mit Unrecht hat man oft und lange genug den
S o c i n i a n e r n ungläubige Verdrehung der heiligen
Schrift vorgeworfen, ohne zu beachten, daß sie gerade durch das
Prinzip vollkommener Schriftmäßigkeit, vorzüglich- in der G lau
de n s l e h r e, zu ihrem eigentümlichen Lehrbegriff gekommen
sind, und daß man ihnen wohl einseitige Verstandeskonsequenz vor-i
werfen, sie nicht aber ohne weiteres Rationalisten oder absichtliche
Schriftvcrdreher nennen kann. „Es ist bereits aus Schriften des
Socinus erwiesen, daß er von dem Grundsatz ausgegangen ist,
es gehöre eigentlich durchaus nichts in den e ch t ch r i st l i ch- e n
Lehrbegriff, was nicht st r e n g biblisch sei; man dürfe
bei der Auffassung der christlichen Lehre weder rechts noch links
von den Aussprüchen der Bibel weichen, weder etwas hinzutun
noch wegnehmen, was auch die Kirche mit ihren Parteien gelehrt
haben möge und noch lehre." Darum handelt der (Socinianische)
Rakauische Katechismus im e r st e n Artikel weitläufig von der
heiligen Schrift. „Die christliche Religion ist der von Gott in der
heiligen Schrift, v oir z ü g l i-ch im Neuen Testament,
geoffenbarte Weg, das ewige Leben zu erlangen"; die heilige Schrift
ist allein glaubwürdig und hinreichend, um aus ihr den Glauben
an Christum und den Gehorsam gegen seine Gebote kennen zu
lernen"; „der Mensch kann ohne Offenbarung gu gar keinem Be
griff von Religion und von Gott kommen"; „die Apokryphen sind
nicht Gottes Wort"; „die menschliche Tradition hat keine
Geltung in Glaubenssachen"; „die katholische Trinitätslehre findet
sich nicht in der Schrift" ft, „Christus ist wohl Gott, aber nicht
gleich ewig mit dem Vater." Anfangs wurde noch die Kinder
taufe als unbiblisch verworfen.
0 Die unbiülischen Benennungen „Person" und „Trinität" sind nicht nur
den Sociniancrn und Unitariern, sondern auch vielen Reformierten (z. B. Menken
und seinen Anhängern, bei denen man übrigens den entschiedensten, festesten
Glauben an Christus, den Sohn Gottes, findet,) immer anstößig gewesen; selbst
Calvin und seine Freunde sträubten sich einst heftig gegen die Aufnahme dieser
Wörter in die Genfer Konfession und gegen die Unterschrift der drei allgemeinen
Symbole, vorzüglich des Athanasianischcn. Damit verwarfen sie^indessen keines
wegs den mit jenen Ausdrücke,^ bezeichneten Glaubensinhnlt. Auch Zwingli
hatte den nnbiblischen Rainen „Sacrament" nicht gerne, und die feinen Tauf
gesinnten haben in ihrem Bekenntnis absichtlich das Wort „Person" vermieden.