Full text: Das weibliche Unterrichtswesen in Frankreich

Aus französischen Moralkatechismen. 
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sie ihm auf diese Weise bereitet hat, dafs er ohne Bedauern, 
ohne Vorwürfe sich zu machen, an diejenige denken kann, die 
nicht mehr ist. 
Noch einige Jahre. Die Kinder gehen zur Schule. Sie 
sind stets ordentlich gekleidet, haben ihre Lektion gut gelernt; 
sie sind die Ehre der Klasse, wie Peter die Ehre der Fabrik 
ist. Man weifs in der Nachbarschaft wohl, dafs Cäcilie eine 
Gattin und eine Mutter ist, wie es deren wenige giebt. Sie 
steht zuerst im Hause auf, um ihrem Manne die Speisen zu 
bereiten, sie legt sich zuletzt schlafen, um seine Arbeitskleider 
auszubessern, damit er sie fertig finde, wenn er 'aufsteht, sie 
ist stets frisch, sauber und stillvergnügt, sie arbeitet ohne Lärm 
und richtet zweimal soviel aus als diejenigen, welche stets unter 
ihrer Arbeit stöhnen. Die Nachbarn grüfsen sie respektvoll 
und sie wird zuerst bedient, wohin sie auch kommt, denn man 
weifs, dafs ihre Zeit kostbar ist. 
Peter hat seit zwei Tagen heftige Kopfschmerzen. Den 
dritten Tag kommt er um Mittag zurück, das Gesicht ganz rot, 
das Auge matt und trübe. 
Ich bin krank, sagt er. 
Cäcilie bringt ihn zu Bett. Sie hat sogleich die ganze 
Wahrheit erkannt. Es ist die Krankheit, so heftig als mög 
lich. —- Sie wird Mut haben. 
Es ist in der That die Krankheit, langwierig, mit ihrem 
Wechsel von Furcht und Hoffnung, mit ihren langen schlaf 
losen Nächten. Da sie krank war, hat Peter sie gepflegt: jetzt 
ist die Reihe an ihr. Die Kinder fahren fort zur Schule zu 
gehen, stets gut gehalten, gut gewaschen, mit einem guten 
Frühstück in der Tasche — die Mutter bleibt bei dem Bette, 
wo der arme Mann leidet. Er erkennt sie nicht immer, so hat 
die Krankheit ihn erschöpft, aber wenn er sie erkennt, welch 
zufriedenes Lächeln; wie leicht ist Cäcilie für all ihre Mühe 
belohnt. — Seit zwei Tagen erkennt er sie nicht mehr; sie 
wagt nicht mehr, den Arzt um seine wahre Meinung zu fragen; 
ihr Herz schnürt sich ihr zusammen, sie pflegt und schweigt. Die 
Ersparnisse sind zu Ende, sie zittert bei dem Gedanken, was 
nun geschehen kann. Endlich kommt eine letzte Nacht, schreck 
licher als alle anderen; die Kinder schlafen, soll sie sie wecken, 
damit sie ihrem Vater Lebewohl sagen. Nein, alles ist viel 
leicht noch nicht verloren und dann wird es ja noch immer
	        
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