Full text: Der Weg des Zentrums

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man ja wohl als Schöpfer des Berliner Antisemitis 
mus bezeichnen kann — der befangen war in den An 
schauungen, die eingangs des Kapitels auseinander 
gesetzt wurden — würde nicht übel dreinfahren, wenn 
er die Konservativen und Völkischen bei dem durch und 
durch unchristlichen Rassen-Antisemitismus anträfe! 
Auch andere Konservative haben diesen Geist und 
Herz verwirrenden Rassenantisemitismus grundsätzlich 
abgelehnt. Der schon erwähnte Lagarde läßt sich in 
dem angeführten Buch „Programm der konservativen 
Partei Preußens" über die Judenfrage in einer Form 
aus, die für ihn, den Antisemiten, der er war, 
charakteristisch ist. Aber wie ist sein Standpunkt von 
dem „unserer" Judengegner, die in den Eeistes- 
koryphäen der Deutschnationalen und Völkischen ihre 
Repräsentanz haben, verschieden; Lagarde schreibt: 
„Schon jetzt steht fest, daß alle Juden, welche mit Ernst 
machendem Leben der Jndogermanen in Berührung kom 
men, demselben unterliegen. Bisher ist noch kein Jude, 
der griechische Philosophie, deutsche Geschichte, deutsche Musik 
von Herzen studiert hat, Jude geblieben, und keiner der so 
dem Judentume Entfremdeten darf behaupten, daß ihm 
nicht alle wirklich deutschen Herzen freudig und dauernd 
warm entgegengeschlagcn hätten: selbst dann schlugen sie 
ihm entgegen, wenn er als eine andere Cordelia das von 
einem neuen Lear geforderte Wort, allerdings zu seinem 
äußeren Tode, nicht sprach. Judenknaben entwickeln sich in 
einer deutschen Schule, falls ihnen ein sie liebender deutscher 
Lehrer gegenübersteht, und die Klasse von deutschen Kindern 
einiger Begabung und einiger Sonnenhaftigkeit besucht ist, 
allemal — sogar in ihrer äußeren Erscheinung — vom 
Judentume weg, das in ihnen erst dann wieder die Ober 
hand gewinnt, wenn sie als Erwerbende in den Kreis ihrer 
Nation zurücktreten, oder in reiferen Jahren von ihnen 
fremden Deutschen zurückgestoßen werden. Mischehen liefern 
deutsche Nachkonimenschaft, sowie der deutsche Teil der Ehe 
mehr als preußische Durchschnittsware, und der jüdische 
irgend einem nicht spezifisch jüdischen Lebensinhalte zu 
gewandt ist, so deutsche Nachkommenschaft, daß die nicht 
Wissenden gar nicht daran denken, in diesen Mischlingen 
nicht rein deutsche Kinder vor sich zu haben. — Nicht 
jeder Jude ist begabt genug, mit indogermanischer
	        
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