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Roman? — bin ich im zweiten Kapitel des zweiten
Buches auf eine bedeutsame Stelle gestoßen, die für
Goethes religionsgeschichtliche Stellung außerordent
lich bezeichnend ist. Dem Wilhelm Meister wird auf
seiner Wanderung im Reich „der Obern und der Drei"
nach dem Erziehungsheim durch den Wortführer die
Bedeutung des „Ethnischen" in Religion und Volk aus
einandergesetzt. Bei der Aufzeichnung des Edelgehalts
der verschiedenen Religionen spricht sich der „Aelteste"
folgendermaßen über die jüdische Religion und das
jüdische Volk aus:
„Vor dem ethnischen Richterstuhle, vor dem Richterstuhl
des Gottes der Völker, wird nicht gefragt, ob es die beste,
die vortrefflichste Nation sei, sondern nur, ob sie daure, ob
sie sich erhalten habe. Das israelitische Volk hat niemals
viel getaugt, wie es ihm seine Anführer, Richter, Vorsteher,
Propheten tausendmal vorgeworfen haben; es besitzt wenig
Tugenden und die meisten Fehler anderer Völker, aber an
Selbständigkeit, Festigkeit, Tapferkeit und, wenn alles das
nicht mehr gilt, an Zäheit sucht es seinesgleichen. Es ist das
beharrlichste Volk der Erde, es ist, es war, es wird sein,
um den Namen Jehova durch alle Zeiten zu verherrlichen.
Wir haben es daher als Musterbild aufgestellt, als Haupt
bild, dem die anderen nur zum Rahmen dienen."
Im weiteren Verfolg der Darlegungen des
„Aeltesten" über die Vorzüge des israelitischen Volkes
und seiner Religion heißt es:
„Ein Hauptvorteil ist die treffliche Sammlung ihrer
heiligen Bücher. Sie stehen so glücklich beisammen, das; aus
den fremdesten Elementen ein täuschendes Ganze entgegen
tritt. Sie sind vollständig genug, um zu befriedigen, frag
mentarisch genug, um anzureizen; hinlänglich zart, um zu
besänftigen; und wie manche andere entgegengesetzte Eigen
schaften sind an diesen Büchern, an diesem Buche zu
rühmen!"
Der „Aelteste" schließt:
„Noch einen Vorteil der israelitischen Religion muß ich
hier erwähnen: daß sie ihren Gott in keiner Gestalt ver
körpert und uns also die Freiheit läßt, ihm eine würdige
Menschengestalt zu geben, auch im Gegensatz die schlechte
Abgötterei durch Tier- und Untiergestalten zu bezeichnen."