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mit Jndustrieprodukten. Das ist ja auch wohl der
Grundgedanke sowohl in der liberal-manchesterlichen,
wie der sozialistischen Wirtschaftslehre der kultivierten
Welt. E i n Wirtschaftsgebiet, in dem agrarische und
industrielle Produktion sich ausgleichen. Das braucht
nicht so verstanden zu werden, als ob die Industrie-
und agrarischen Länder lediglich sich den Spezial
produktionen widmeten; es gibt hüben und drüben
Selbstversorger, die man ruhig gewähren lassen kann.
Das hört sich ganz gut an. Aber die Rechnung hat
einen grundsätzlichen Fehler. Sie übersieht, daß es bei
dem jetzigen Stand der industriellen Entwicklung nicht
bleiben wird. Die Industrie - Einfuhrländer
werden mit der Zeit eigene Industrien bekommen.
Wissenschaft und Technik sind heute Gemeingut aller
Völker; der Vorsprung, den ein Land auf diesem oder
jenem Gebiet in technischer Beziehung hat, ist bald
eingeholt; die Länder tauschen ihre Techniker, Inge
nieure, Eeschäftsleiter, Wissenschaftler aus, so daß es
einem Lande schwer fällt, den durch Spezial-Erfin
dungen erzielten Vorsprung auf die Dauer auf
recht zu erhalten. Vor allem aber sorgt das A n -
lage suchende Kapital dafür — sobald die Ver
hältnisse wieder annähernd normal geworden, die Nach
teile des Krieges überwunden sind und die Kapital
bildung im Fortschreiten begriffen ist —, daß Indu
strien sich überall, in allen Ländern entwickeln, in
denen auch nur ein Mindestmaß von Voraussetzungen
vorhanden ist.
Vergesse man nicht, daß das Anlage suchende
Kapital die nationalen Verbände der Eütererzeugung
dekomponiert hat. England hat seine industrialistische
Entwicklung lediglich der Tatsache zu „verdanken", daß
das englische Kapital mit der nationalen Agrar
rente von 3—3'A Prozent nicht zufrieden war. Des
halb wurden Industrien gegründet und die englische
Landwirtschaft preisgegeben. Dieser Prozeß wieder
holt sich in der ganzen kultivierten Welt. Er ist durch