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Man muh die politische Entwicklung im Geiste der
Bedingungen betrachten, die für jene maßgebend sind.
Die Entwicklung drängt zur Demokratie. Das wird
im Ernste niemand bestreiten. In Zeiten primi
tiver Gestaltung des Politischen, Wirtschaftlichen und
Gesellschaftlichen war die Idee der Herrschaft des Einen
am Platze. „Der erste König war ein glücklicher
Krieger", dieser Satz gilt, obgleich der Simplizissimus-
Demokrat Thomas Mann ihn mit ästhetischen Aphoris
men eines krankhaften Feuilletonismus bestreiten
möchte. In der Periode, da Stämme, Volkschaften,
Rassen, Schichten sich durch Vernichtungskämpfe zu er
halten oder gegenseitig zu behaupten suchen, war der
Eine, der Führer, der Heerführer, der gegebene Mann.
Und war dieser Eine gar noch im Besitz sonstiger mate
rieller Machtmittel — eine Erscheinung, die sich bis zum
Ausgang des 30jährigen Krieges als die herrschende er
wies — so wurde seine Position im monarchistisch
autoritativen Sinn verstärkt. Auch für den Zuschnitt
des ganzen wirtschaftlichen Lebens war die monarchi
sche Auffassung die gegebene; sie lag in der Technik
der sozial-wirtschaftlichen Organisa
tion; der Einzelne als Inhaber der wirtschaftlichen
Macht: der Landesherr, der Heerführer, der Erotz-
besttzer, der privilegierte Stand. Aus der Wirtschafts
und Sozial-Psychologie ergab sich die monarchische
Führung, die monarchische Spitze. Mit der Erfindung
der Vuchdruckerkunst und der damit geschaffenen leich
teren Popularisierung der Wissenschaften und der All
gemeinbildung, durch die Entdeckung Amerikas, die
Intensivierung des Seeverkehrs, mit der Erfindung der
Eisenbahnen, des Telegraphen, der Verallgemeinerung
der Volksbildung durch Errichtung der Volksschule,
Einführung der Freizügigkeit, durch die Schaffung von
Presse und Parlament, durch die Mobilisierung des
vierten Standes mit dem Instrument des kapitalisti
schen Eroßindustrialismus trat der Einzelne als Teil-